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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos
Autoren: Alex Berg
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Blick auf ihre eigene schmale Silhouette werfen. Das lange Haar, das ihr in weichen Wellen über die Schultern fiel. Der dunkelgraue Hosenanzug war eine gute Wahl gewesen. »Zu sachlich«, hatte Marc kommentiert. Also genau das Richtige für den Anlass.
    Von weitem schon konnte sie die Menschentraube vor ihrem Gate erkennen. Bei dem Anblick unterdrückte sie ein Seufzen. Sämtliche Fluggäste für Großbritannien und die USA mussten auf den europäischen Flughäfen nach wie vor einen weiteren Sicherheitscheck über sich ergehen lassen. Sie bemühte sich um ein neutrales Gesicht, als sie dem uniformierten Beamten ihren Ausweis reichte. Er gab die Daten in den Computer ein. In diesem Moment begann das Boarding. Eine Mutter mit zwei kleinen Kindern und einem Buggy ging an den Wartenden vorbei. Valerie ertappte sich dabei, dass sie hoffte, nicht in ihrer Nähe sitzen zu müssen, und biss sich bei dem Gedanken unwillkürlich auf die Lippe. So weit war es also schon.
    Sie wandte sich wieder dem Beamten am Schalter zu. Er telefonierte und hielt ihren Ausweis noch immer in der Hand. Sie sah ihn an und streckte ihre Hand nach der Plastikkarte aus, die ihre Identität verifizierte.
    »Einen Augenblick, bitte«, sagte er höflich. »Es geht gleich weiter.«
    Hinter ihr kam Bewegung in die Schlange der Wartenden. Sie sah sich um und erblickte zwei Beamte der Bundespolizei. Was war nun wieder? Hatte jemand unvorsichtigerweise das Wort »Bombe« fallen lassen?
    Vor nicht allzu langer Zeit war ein guter Freund von Marc in Amsterdam auf dem Flughafen verhaftet worden, weil er einen der Beamten darauf hingewiesen hatte, dass das Gerät, das jener argwöhnisch untersuchte, ein teurer Beamer und keine Bombe sei. Im nächsten Augenblick hatte er in die Mündung einer Maschinenpistole geblickt und schließlich mehr als eine Stunde in Gewahrsam der Polizei verbracht, bis ein eilig hinzugerufener Staatsanwalt nach eingehender Befragung das Missverständnis geklärt und ihn mitsamt des Beamers in die nächste Maschine nach Deutschland gesetzt hatte. Es war eine immer wieder gern erzählte Geschichte im Freundeskreis, die für Lacher sorgte.
    »Frau Valerie Weymann?«
    Irritiert sah sie auf, als sie ihren Namen hörte, und blickte in das Gesicht eines der Beamten der Bundespolizei.
    »Ja?«
    »Würden Sie bitte mit uns kommen?«
    Die Menschen um sie herum wichen zurück.
    »Ich … mein Flug geht gleich.« Wie zur Bestätigung wandte sie sich an den Beamten hinter dem Schalter. Doch der reagierte nicht, sondern reichte stattdessen ihren Ausweis an den Bundespolizisten, der sie angesprochen hatte. Dieser sah auf ihr Foto, dann auf sie.
    »Wir müssen Sie bitten, mit uns zu kommen«, wiederholte er seine Aufforderung mit neutraler Stimme.
    »Ist etwas passiert?«, fragte sie und zwang sich, ruhig zu bleiben. Die neugierige Stille, die sich ausbreitete, war ihr unangenehm. Die Aufmerksamkeit, die sie erregte. »Ist etwas mit den Kindern? Oder meinem Mann?« Sie tastete unwillkürlich nach dem Handy in ihrer Tasche und bemerkte, wie die Hand des zweiten Polizisten bei dieser Bewegung zu der Waffe an seinem Gürtel glitt. Die Wartenden um sie herum wichen noch ein Stück weiter zurück, sie starrten unsicher und fasziniert. Die Frau mit den beiden Kindern betrat soeben den Schlauch, der zum Flugzeug führte. Der kleine Junge an ihrer Hand sah sich zu Valerie um und stolperte, während er den Blick nicht von ihr ließ.
    »Kommen Sie.« Eine Hand griff nach ihrem Arm.
    In ihrem Hinterkopf schrillte eine Alarmglocke. Laut und hässlich.
     
    Der Raum, in den sie sie gebracht wurde, war fensterlos und leer bis auf einen Tisch in der Mitte und vier Metallstühle. Sie starrte die beiden Männer an.
    »Was soll das?«, brach es aus ihr heraus. »Könnte ich bitte meinen Ausweis wiederbekommen?«
    Die beiden Beamten erwiderten ihren Blick schweigend und mit ausdruckslosen Mienen. Sie hätte keinen von ihnen auf der Straße wiedererkannt.
    »Bitte setzen Sie sich«, bat der Beamte, der sie am Arm in diesen Raum geführt hatte.
    Valerie wollte sich nicht setzen. Sie wollte wissen, was hier passierte. Sie wollte ihren Flug nicht verpassen. »Hören Sie, ich habe einen wichtigen Geschäftstermin in London …«
    Der andere Polizist platzierte sich vor der Tür. Die Männer sahen über sie hinweg, als wäre sie nicht da. Valerie biss ihre Zähne so hart aufeinander, dass sie knirschten. Von draußen drang die Geräuschkulisse des Flughafens zu ihnen herein.
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