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Macho-Mamas

Titel: Macho-Mamas
Autoren: Michèle Binswanger , Nicole Althaus
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wohlproportioniert sind, heute gerade wieder schüchtern gefeiert werden – der Taillenumfang ist längst nicht mehr nur in Hollywood ein Richtwert erfolgreicher Mutterschaft. Auch in Schwerin und in Niederbipp, in Hamburg und in Zürich kämpfen Mütter gegen die Spuren von Schwangerschaft, Geburt und Stillen. Wenn nötig, mit chirurgischen Eingriffen: Die Anzahl sogenannter Mommy Makeovers – operativer Eingriffe zur Behebung der Makel des Mutterschaftskörpers, wie das Straffen der Bauchdecke und das Heben der Brüste – sind in den letzten Jahren laut internationalen Untersuchungen, aber auch gemäß Schweizer Ärzten massiv gestiegen.
    Bauch auf, Baby raus, Bauch zu, Bauch weg. Der Furor, mit dem Schwangerschaftsspuren getilgt werden, findet seine Entsprechung in dem auf die Stunde planbaren, zum reibungslosen Ablauf reduzierten Gebären per Kaiserschnitt. Dafür gibt es gute Gründe: Schmerzvermeidung zum Beispiel oder die schwerer gewordenen Babys. Es liegt uns fern, den Kaiserschnitt zu verdammen und in das Hohelied der natürlichen Geburt einzustimmen, doch Tatsache ist: Die Zahl der Kinder, die mit Hilfe des Skalpells das Licht der Welt erblicken, steigt weltweit an. In der Schweiz betrifft es bereits jedes dritte Kind.
    Innerhalb einer einzigen Generation ist die Geburt von der Leistung der Frau zur Dienstleistung an der Frau umgewertet worden. Und die nächste Generation ist gerade dabei, auch die Schwangerschaft in ein Dienstleistungsverhältnis umzuformen: Die ersten Prominenten lassen sich ihren Kinderwunsch von einer Leihmutter verwirklichen und sorgen mit dem Portemonnaie für den Fortbestand ihrer Gene. Mutterschaft ist damit nicht mehr nur vom sichtbaren Körper getilgt, sondern ganz aus der Körperbiographie verdrängt worden. Die unbefleckte Empfängnis ist kein biblischer Mythos mehr, sondern eine Realität.
Die Schwangerhaft
    Der körperliche Perfektionswahn passt perfekt zur Generation Golf. Sie war es schließlich, die den Gang ins Fitnessstudio zum Lifestyle erklärte. Dennoch liegt es nicht nur am ausgeprägten Jugendlichkeits- und Schönheitswahn der Gegenwart, wenn sich Frauen bemühen, dass man ihnen die Kinder möglichst nicht ansieht. Es liegt auch daran, dass sie aufgewachsen sind in der Illusion, mit der Emanzipation hätten die Frauen den Zustand (nicht nur) selbstverschuldeter Unmündigkeit verlassen. Nur um dann festzustellen, dass Schwangerschaft nichts weniger bedeutet als in diesen Zustand wieder einzutreten. Noch im Moment, in dem der Schwangerschaftstest das Einnisten des befruchteten Eis in der Gebärmutter anzeigt, fängt das Diktat der Askese an. Kein Kaffee, kein Alkohol, keine Zigarette, kein Stress. Seit Wissenschaftler in den Mutterbauch eingedrungen sind, beginnt der Mutterdienst mit der Empfängnis.
    In den ersten Wochen und Monaten kann sich eine Schwangere noch wie eine umgepolte Nonne fühlen, die den weltlichen Lastern für ihr Baby freiwillig entsagt. Sobald jedoch der Bauch sich rundet, verwandelt sich die Schwangerschaft in eine Schwangerhaft: Die körperlichen Veränderungen der Mütter wecken einen gesellschaftlichen Reflex. Der kann positiv als Anteilnahme gedeutet werden – oder negativ als Bemächtigung. Plötzlich fühlen sich Bürokollegen dazu berufen, liebevoll über die schwellende Körpermitte zu streicheln und sich periodisch nach dem doch sicher nicht mehr fernen Geburtstermin zu erkundigen (es ist noch Monate hin). Oder sie werfen beim Businesslunch einen stirnrunzelnden Blick auf die bestellte Suppe und raten, angesichts des besonderen Zustands den Speiseplan vielleicht doch etwas nahrhafter zu gestalten. Im Schuhgeschäft wird man ungefragt in die Ecke der Orthopädieerzeugnisse komplimentiert, an der Party bekommt man unter diesen Umständen selbstredend Mineralwasser nachgeschenkt, und sollte man es wagen, sich unter den Augen der Mitmenschen eine Zigarette anzuzünden, erntet man nicht nur verächtliche Blicke, sondern öffentlich Zurechtweisungen.
    Besonders fatal wird das Gefühl, wenn die Vorgesetzten in der Schwangeren nicht mehr die geschätzte Mitarbeiterin, sondern einen störenden Kostenfaktor sehen. «Wie und wann sag ich’s meinem Boss?» gehört deshalb zu den Fragen, die in Internetforen, aber auch an Beratungsteams von Elternzeitschriften häufig gestellt werden. Und nicht selten ist dann die Rede vom «Beichten» – Schwangerschaft als Sünde im Glaubenssystem der Marktwirtschaft. In solchen Momenten wünscht man sich,
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