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Macho-Mamas

Titel: Macho-Mamas
Autoren: Michèle Binswanger , Nicole Althaus
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die weibliche Biologie hätte das mit dem Nachwuchs etwas diskreter geregelt. Wie bei den Pinguinen zum Beispiel, die ihr Ei legen und sich dann beim Brüten abwechseln.
    Tatsächlich unterwirft der Babybauch die Frau dem Terror der Sichtbarkeit. Wie einst die knospenden Brüste verbannt der wachsende Bauch die Frau vorübergehend aus der Conditio humana der Aufklärung: Zum zweiten Mal in ihrem Leben muss sie sich daran gewöhnen, vor allem über ihren Körper wahrgenommen, beurteilt und zuweilen auch auf den Körper und seine Funktionen reduziert zu werden. Die Sichtbarkeit macht das Mädchen zur Frau, dann zur Mutter.
Ich zeige, was ich habe, also bin ich
    Wenn man sich die Entwicklung eines Mädchens vom Kind zur Pubertierenden, zum Teenie und schließlich zur vollentwickelten Frau vor Augen hält, dann gibt es in dieser Abfolge ein Erlebnis, das aus allen anderen heraussticht. Es ist der Moment, in dem man sich zum ersten Mal als Frau fühlt. Eine streng unwissenschaftliche Umfrage im Kolleginnenkreis hat ergeben, dass dieses Gefühl sich meist nicht beim unvermeidlichen roten Fleck in der Unterhose einstellt. Und auch nicht beim anschließenden Warten mit einer Packung Tampons in der Hand an der Kasse der Apotheke.
    Die eigentliche Initiation zur Frau ist eine Szene mit bedeutend mehr Dynamik und läuft bei den meisten Mädchen verblüffend ähnlich ab. Etwa so: An einem sonnigen Samstagnachmittag spazierte eine der Macho-Mamas durch das schweizerische Provinzstädtchen, in dem sie ihre Pubertät verlebte. Sie trug ihre todschicken, gerade erst zu Hotpants umfunktionierten Rüebli-Jeans, als ein Auto mit geöffnetem Verdeck quietschend um die Kurve raste, ein Mann sich aus dem Fenster lehnte und brüllte: «Geiler Arsch, meine Stute!»
    Die Fünfzehnjährige wusste diese Bemerkung nicht in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen. Zunächst war sie erstaunt, dass irgendjemand ihr Hinterteil überhaupt bemerkt hatte. Zwar hatte sie es an diesem strahlenden Tag in sehr kleine Hosen gezwängt und sich geschminkt und frisiert, um ihrem noch ziemlich frischen Teenagerdasein Tribut zu zollen. Sie begann gerade erst, das weite und komplizierte Feld der Fashioncodes zu erforschen. Aber dass diese auch eine Semantik sexueller Signale enthalten, davon wusste sie noch nichts. Nie im Traum wäre sie darauf gekommen, dass sie sich durch ihre Kleiderwahl plötzlich als Ware eines Viehmarkts qualifizieren würde.
    Entsprechend empört war sie. Und obschon sonst selten um Worte verlegen, blieb sie in diesem Moment stumm. Es fiel ihr gerade noch ein, dem Auto den Mittelfinger zu zeigen, nachdem es schon hinter der Kurve verschwunden war.
    Nicht die selbsterfahrenen Veränderungen ihres Körpers weckten in der Macho-Mama das Gefühl, jetzt eine Frau zu sein, sondern die veränderten Reaktionen ihrer Umwelt darauf. Die erste Lektion in Sachen Weiblichkeit ist gründlich und prägt ein Frauenleben auch im Zeitalter der Postemanzipation: Descartes «Ich denke, also bin ich» gilt für Jungs. Für Mädchen auf dem Weg zur Frau gilt: «Ich bin, was ich zu zeigen habe»: Haare, Arsch und Brüste.
     
    Die Markiertheit des weiblichen Körpers ist ein Thema, an dem sich der Feminismus bis heute abarbeitet. Und auch wenn man sie mittlerweile als «erotisches Kapital» zum Marktvorteil der Frau hochstilisiert, auch wenn junge Feministinnen glauben, sie könnten diese Markiertheit überwinden, indem sie sie mit den Slutwalks zum Thema machen – Tatsache bleibt: Eine Frau wird man auch im Jahr 2012 noch über Zuschreibungen von außen, vielleicht sogar stärker als je zuvor.
    Zwar hatte die alte Garde der Feministinnen dieses Thema vorwärts- und rückwärtsdekliniert, aber sie hat den weiblichen Wunsch nach sexueller Attraktivität unterschätzt: Vor die Wahl gestellt, als Emanze an einer kaum noch selbst erfahrenen weiblichen Benachteiligung herumzunörgeln oder in scharfen Gucci-Heels und mit unzensiertem Körpereinsatz nach dem Vorbild Madonnas die Welt zu erobern, entschieden sich die jungen Frauen rasch für das Team Gucci. Den Sexismus hat die Frauenbewegung doch längst niedergerungen, glaubten viele. Glaubten auch die jungen Feministinnen.
    Als die britische Bestsellerautorin Natasha Walter vor zwölf Jahren ihre optimistische Bestandsaufnahme The New Feminism veröffentlichte, applaudierte sie den jungen Frauen, die sich selbstbewusst gegen jegliche Form der Bevormundung stemmten, die hohe Hacken ebenso heiß fanden wie hohe Literatur,
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