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Macho-Mamas

Titel: Macho-Mamas
Autoren: Michèle Binswanger , Nicole Althaus
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ahnen, dass es sich beim Kinderverstecken am Arbeitsplatz um ein kollektives Phänomen handelt. Aber erst viel später, nach vielen Einträgen auf dem Mamablog und beim Nachdenken über dieses Buch, verstanden sie das System hinter diesem Spiel. Hatten Feministinnen vor vierzig Jahren zu Recht behauptet, es sei vorab das Geschlecht, das die Biographie eines Menschen prägt, und zwar von Geburt an, muss dieses Urteil heute revidiert werden. Es ist nicht mehr das Geschlecht an sich, das den Lebenslauf der Frauen bestimmt, sondern ob sie Mutter werden oder nicht.
    Deutlich erkennen lässt sich das an den Karrieren von Männern und Frauen unserer Generation. Zu Beginn verlaufen sie weitgehend parallel, auf derselben Linie kriechen sie einträchtig voran – bis die Kurve der Frauen, die Kinder geboren haben, irgendwo nach dem dreißigsten Jahr in einem Sturzflug verschwindet, und zwar endgültig. Die Mutterschaft ist der Lackmustest der Emanzipation. Statt in der Genderdiskussion zu verharren, muss sich die Gesellschaft endlich der Nachwuchsdiskussion stellen. Das Geschlecht selbst ist nicht mehr die Demarkationslinie im Kampf um Gleichberechtigung am Arbeitsplatz. Heute stehen auf der einen Seite fast alle Mütter und auf der anderen die Männer und Väter und einige kinderlose Frauen. Denn: Die meisten Männer machen Karriere trotz Kindern, und die meisten Frauen wollen Kinder trotz Karriereknick – noch.
Der Gebärstreik
    Zur Erinnerung: Bis in die Siebziger war das Geschlecht ein großer Gleichmacher. Bei aller Verschiedenheit der Milieus glich sich der Frauenalltag der Babyboomer bis ins Detail: Aufstehen, betten, waschen, einkaufen, kochen, aufräumen, bügeln, putzen, kochen, aufräumen, schlafen. Zwischen zweiundzwanzig und achtundzwanzig Jahren hatte man geheiratet und Kinder in die Welt gesetzt. Mit ungefähr vierzig frischte man sein Englisch auf, machte einen Computer- oder Stenokurs. Bei der ersten Klassenzusammenkunft wurden Bilder von weißen Bräuten und kleinen Babys herumgereicht, bei der zweiten Bilder von Teenagern und vielleicht von den Bürokolleginnen des Vormittagsjobs.
    Heute lässt sich bei Klassenzusammenkünften keine Ordnung mehr feststellen: Eine Frau hat gerade erst geheiratet, eine andere ist schon wieder geschieden, die Dritte hat eben ein Kind geboren, die Vierte macht Karriere und ist kinderlos, die Fünfte hat bereits einen Teenager zu Hause. Die Lebensläufe sind unterschiedlich geworden. Wenn es aber eine Regel gibt, dann diese: Kinder sind im Lebenslauf kein Imperativ mehr, sie sind zu einer Option geworden.
    Zwar sagen die meisten jungen Frauen auch heute noch, dass sie sich Kinder wünschen. Aber der Wunsch wird immer mehr verdrängt. Von den Frauen an den Rand ihrer Fruchtbarkeit. Von der Gesellschaft an den Rand der kollektiven Wahrnehmung, also ins Private. Kinder sind längst der Gegenentwurf zu den Werten unserer Zeit. Flexibilität, Mobilität, Effizienz, Individualismus, Leistung und Jugendlichkeit kollidieren mit den Idealen von Mutterschaft: Diese macht abhängig, fordert Hingabe und Verzicht. Seit dreißig Jahren, also seit Frauen überhaupt Optionen haben, breitet sich ein stummer Widerstand aus – immer mehr Frauen entscheiden sich gegen die Option Nachwuchs, deren Kosten sie einseitig zu tragen haben.
    Mit Ausnahme von Island werden in keinem europäischen Land noch genügend Kinder geboren, um den einheimischen Bevölkerungsstand auf demselben Niveau zu halten (2,1 Kinder pro Frau). In der Schweiz sind laut der letzten Volkszählung zwanzig Prozent der heute fünfundvierzig- bis fünfundfünfzigjährigen Frauen kinderlos geblieben, in städtischen Milieus hat mehr als ein Drittel der jüngeren Generation Golf noch keine Kinder. Bei den Akademikerinnen unter ihnen rechnet man mit einer Kinderlosigkeitsquote von gut fünfunddreißig Prozent. Einige dieser Frauen werden vielleicht noch späte Mütter, doch die Kinderlosigkeit, so die Interpretation von Demographen, nimmt «markant» zu.
    Sie tut das nicht nur in unserem Land: Kinderlosigkeit ist zu einem Phänomen geworden, das in allen westlichen Industrienationen grassiert. «Macht die Generation X Karriere statt Kinder?», fragte die New York Times im Juni 2011 und zitierte die aktuelle Bevölkerungsstatistik, gemäß der dreiundvierzig Prozent der Frauen zwischen fünfunddreißig und sechsundvierzig Jahren mit einem College-Abschluss keinen Nachwuchs haben. Am babymüdesten zeigt sich Japan. Im Land der
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