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Macho-Mamas

Titel: Macho-Mamas
Autoren: Michèle Binswanger , Nicole Althaus
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aufgehenden Sonne droht sich der Kinderwunsch laut Chikako Ogura, Psychologieprofessorin an der Universität Tokio, ganz aufzulösen: Ein rigoroses Arbeitskorsett im Büro, in dem schwangere Frauen und Mütter gar keinen Platz mehr finden, und das gesellschaftliche Ideal der japanischen Kenbo, der aufopfernden und zugleich allmächtigen Mutter, zwingen junge Frauen zur Entscheidung zwischen Arbeit und Mutterschaft. Das Resultat: Japan hat mit 1,2 Kindern pro Frau die tiefste Geburtenrate aller wirtschaftlich hochentwickelten Länder. Emanzipierte Japanerinnen sind nicht mehr bereit, den hohen Preis für die Mutterschaft zu bezahlen, im Ernstfall wählen sie den Job und damit finanzielle Unabhängigkeit und Eigenständigkeit. Auch in Deutschland, in der Schweiz und in Italien bleiben viele Töchter und Söhne lieber im Hotel Mama sitzen, statt eine eigene Familie zu gründen. Die drei Länder teilen außerdem eine andere kulturelle Gemeinsamkeit mit Japan: Die Übermutter steht fest auf dem Sockel. Wer eine Karriere mit Kindern anstrebt, hat die Moral einer ganzen Gesellschaft gegen sich.
Die unbefleckte Niederkunft
    Wir haben oben gesagt, dass in Umfragen die große Mehrheit der jungen Frauen das Bedürfnis nach Kindern äußern. Offensichtlich wird dieses Bedürfnis von anderen Bedürfnissen verdrängt. Vorab gutausgebildete Frauen verzichten heute auf Kinder, weil sie, so muss man daraus schließen, nicht vorhaben, ihre Ambitionen auf dem Altar der Mutterschaft zu opfern. Und auf den Spagat zwischen Kinderzimmer und Büro haben sie keine Lust.
    In einer Gesellschaft, in der Mutterschaft immer weniger als Bereicherung und immer mehr als Behinderung wahrgenommen wird, in der Frauen gezwungen werden, sich zwischen dem Kopf und dem Bauch zu entscheiden, verhalten sich berufstätige Mütter, wie sich alle Menschen verhalten, um trotz Einschränkungen wettbewerbsfähig zu bleiben: Sie versuchen tunlichst, sie zu verstecken, die Spuren zu tilgen. Zuallererst auf dem Körper. Im neuen Jahrtausend hat sich unter Müttern ein neuer Sport etabliert: möglichst rasch nach der Geburt wieder in die Jeans Größe sechsunddreißig zu passen. Als gelte es, die Illusion einer unbefleckten Niederkunft zu erschaffen.
    Das deutsche Supermodel Heidi Klum setzte dafür den Standard: Im November 2005, sieben Wochen nach der Geburt ihres Sohnes Henry, stöckelte die Siebenunddreißigjährige mit Waschbrettbauch und Engelsflügeln über den Catwalk – nackt bis auf einen Büstenhalter und einen mit Swarowski-Kristallen besetzten Thong. Die frischgebackene Mutter modelte für das Unterwäschelabel Victoria’s Secret. Statt hässlicher Schwangerschaftsstreifen und einem weichen Babybauch präsentierte Klum eisernen Willen und stählerne Muskeln. Die Presse jubelte und beugte sich neugierig über den «knackigen» ( Gala ) Mutterkörper. Frauen zeigten sich begeistert, dass Mutterschaft nicht mehr das Ende einer Modelkarriere bedeutete.
    Die Botschaft kam an: Nun verlegten auch andere prominente Vertreterinnen der Generation Golf das Wochenbett ins Fitnessstudio: Kate Hudson, Catherine Zeta-Jones, Sarah Jessica Parker, Gwyneth Paltrow und Kate Moss hungerten sich, kaum war das Kind geboren, die Schwangerschaftspfunde vom Leib, unterzogen sich einem rigiden Fitnessprogramm, um post partum der Presse einen muskulösen flachen Unterleib zu präsentieren und einen fettfreien Hintern. Kurz: ein vorgeburtliches Äußeres.
    Ein geradezu paradoxes Bild von Mutterschaft war geboren: Zuerst dokumentiert die Weltpresse Zentimeter um Zentimeter den wachsenden Leibesumfang schwangerer Prominenter, füttert ihre Leser neun Monate lang mit Details von Essgelüsten und Verdauungsproblemen, huldigt mit Schlagzeilen wie «schwangere Kate – schöner denn je» ( Blick ) oder «Gwyneth – Hollywoods hippste Mutter in spe» ( W ) der Fruchtbarkeit barbäuchiger Stars, nur um nach der Niederkunft Fotos der bereits wieder gertenschlanken Mütter auf die Titelseite zu hieven. Die Frau wird als reproduktives Wesen präsentiert, aber als nährende Mutter zum Verschwinden gebracht.
    «Sexy ist», stellt Barbara Duden, Körperforscherin und Soziologin an der Universität Hamburg fest, «was der Signale für Mütterlichkeit beraubt wurde.» Der Frauenbauch, große Brüste und die rundliche Hüfte wurden im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte gnadenlos ausgemerzt. Und auch wenn zuweilen sachte ein verändertes Schönheitsideal propagiert wird und Kurven, solange sie
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