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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
Autoren: Volker Reinhardt
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ergriff sie. Der Große Rat wurde wieder eingerichtet, wie es Machiavelli in seinem Memorandum von 1522 gefordert hatte. Doch seine Dienste waren nicht gefragt. Am 10. Juni wurde nicht Machiavelli zum Zweiten Kanzler der neuen Republik gewählt, sondern ein gewisser Francesco Tarugi. Elf Tage nach dieser letzten Enttäuschung, am 21. Juni 1522, starb Niccolò Machiavelli an einem Magenleiden.
    Himmel oder Hölle
    Starb Machiavelli als guter Christ, wie fromme Zeitgenossen behaupteten? Warum die Menschen im natürlichen Zustand schlecht sind und unaufhörlich betrügen müssen, warum der Staat ohne Krieg nicht bestehen kann und die Moral für die Politik nicht taugt – dazu hat sich Machiavelli immer nur in poetischen Bildern geäußert. Doch mit Gedichten von heidnischen Göttinnen, die dem Menschen zerstörerische Eigenschaften einpflanzen, ist die Frage nach der Ursache für den Zustand der Welt nicht wirklich beantwortet. Sind diese Pandoras im Auftrag eines Gottes unterwegs? Und falls ja, dienen sie dem christlichen Gott oder heidnischen Gottheiten? Was Machiavelli darüber dachte, lässt sich nur indirekt erschließen. Christus, der Erlöser, kommt in seinen Texten ebenso wenig vor wie die Erbsünde, die die Unfriedfertigkeit des Menschen theologisch erklären könnte. Doch auch das muss nicht allzu viel bedeuten. Machiavelli schrieb nicht über theologische Grundsatzfragen, sondern über Politik. Und für den Staat war die richtige Religion nichts anderes als ein sehr «irdisches» Instrument. Dass das Christentum, so wie es sich historisch entwickelt hatte, zur Politik nicht taugte, heißt nicht unbedingt, dass es nicht den Weg ins Himmelreich wies. Insofern haben die wohlmeinenden Zeitgenossen Recht, die Machiavelli für das Christentum retten wollten.
    Dennoch kann die christliche Vereinnahmung Machiavellis nicht überzeugen. Laut Machiavelli muss der erfolgreiche Fürst so handeln, dass er nach den Maßstäben der christlichen Lehre sein Seelenheil verspielt. Als guter Christ hätte Machiavelli diesen unauflöslichen Widerspruch zutiefst bedauern müssen. Stattdessen ist ihm dieses Dilemma nicht einmal einen eingehenderen Kommentar wert. Darüber hinaus machen zahlreiche seiner Texte – etwa zur Hölle als dem Aufenthaltsort der großen Männer – deutlich, dass die christliche Religion in seinen Augen zur Deutung der Welt und des Menschen ausgedient hatte. Dass er kein alternatives Welterklärungs-System aufstellte, heißt nicht, dass er am Sinngehalt des Christentums festhielt. Was er wirklich darüber dachte, lässt sich einem seiner letzten Texte entnehmen.
    Sprache und Denkweise der Kleriker hat Machiavelli am Ende seines Lebens unnachahmlich parodiert. Dabei handelt es sich um eine fiktive Bußpredigt aus dem Munde eines Mönchs:
Der allerhöchste Gott erkannte, wie leicht der Mensch in die Sünde abirrte. Und er sah, dass es unmöglich sein würde, auch nur einen Menschen zu retten, wenn er auf seiner Rache beharrte. Und er konnte der menschlichen Hinfälligkeit auf keine frommere Weise abhelfen, als dem Menschengeschlecht einzuschärfen, dass ihn nicht die Sünde, sondern das Beharren in der Sünde unversöhnlich stimmte. Und so öffnete er den Menschen den Weg der Buße, auf dem sie zum Himmel aufsteigen konnten, wenn sie den ersten Weg verfehlt hatten.[ 29 ]
    Gott ist demnach ein schlechter Gesetzgeber. Er hat der Welt eine Verfassung gegeben, die dem Wesen des Menschen nicht entspricht. Anstatt den Menschen besser zu erziehen, wie es ein guter Politiker täte, lockert er die Gesetze, so wie es Klientelführer für ihre Anhänger tun. Künftig kann man über die Stationen von Zerknirschung, Tränen, Reuebekenntnis und Bußleistung doch noch ins Paradies gelangen. Das ist die korrupte Methode, wie sie von den Medici hätte ersonnen werden können.
Wer nicht voll des christlichen Glaubens ist, kann nicht voll der Nächstenliebe sein. Die Nächstenliebe nämlich ist geduldig, gütig, ohne Neid und moralisch einwandfrei, ohne Stolz und ohne Ehrgeiz, sucht nicht den eigenen Vorteil, empört sich nicht, tut nichts Böses, freut sich nicht über das Böse, ist nicht eitel, duldet alles, glaubt alles, hofft alles.[ 30 ]
    So war der ideale Christ. Und genau so durfte der Mensch im Staat nicht sein. Politiker, die alles glaubten und die wahnhaftesten Hoffnungen nährten, hatte Machiavelli sein Leben lang reichlich kennengelernt. Die Naiven und Leichtgläubigen kommen also ins Paradies. Doch wer will
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