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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
Autoren: Volker Reinhardt
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Autoren wie der englische Kardinal Reginald Pole in diesen Idealentwürfen nicht ohne eine kräftige Stärkung der Staatsgewalt aus.
    Einen großen Schritt weiter gingen politische Denker wie der Piemontese Giovanni Botero, der am Ende des 16. Jahrhunderts die schwierige Synthese aus Staatsräson und Christentum zu bewerkstelligen suchte. In Übereinstimmung mit Machiavelli betrachtete Botero die Religion als wichtigstes Mittel der Politik. Im Unterschied zu diesem hielt er das Christentum für besonders geeignet, um die Macht des Herrschers zu stärken. Die christliche Religion gründete sich auf das Gewissen; durch sein Gewissen erkannte sich der Christ als sündhaft und erlösungsbedürftig. Wenn man ihm die Christenpflicht einschärfte, seinem von Gott gegebenen Herrscher bedingungslos zu gehorchen, stand dem Ausbau der Staatsgewalt nichts mehr im Wege. Die damit begründete christliche Staatsräson wurde im 17. Jahrhundert von Kardinal Richelieu weitergedacht und zugleich meisterlich praktiziert. Ähnlich wie Cesare Borgia ließ die «rote Eminenz» Richelieu adelige Verschwörer ohne Prozess hinrichten: im Namen des Staates, dessen Erhalt Gott forderte, um die Menschen durch ein diszipliniertes Leben auf Erden ins Paradies aufnehmen zu können.
    Eine weitere Strömung einer sich an Machiavelli abarbeitenden Staatstheorie bilden die französischen «Monarchomachen», die nach der «Bartholomäusnacht» des Jahres 1572, dem tausendfachen Massaker an den Hugenotten, die Königinmutter Caterina de’ Medici als teuflische Schülerin Machiavellis anprangerten. Dieser Vorwurf lag umso näher, als Caterina, die Tochter des jüngeren Lorenzo de’ Medici und einer französischen Prinzessin, selbst aus Florenz stammte und die Schriften ihres Landsmanns sehr wohl kannte. Gegen Machiavelli, den angeblichen Lobredner der Tyrannei, entwickelten calvinistische Autoren wie François Hotman das Modell einer guten, vom Volkswillen getragenen Monarchie. Demnach lag die Souveränität beim Volk, was de facto auf eine Kontrolle des Königs durch die soziale Elite hinauslief. Das Amt des Monarchen bestand darin, die Gesetze auszuführen, die die Stände des Königreichs erlassen hatten; zu diesem Zweck wurde ein Vertrag mit ihm geschlossen, der von beiden Seiten eingehalten werden musste. Verstieß der Herrscher gegen dessen Klauseln, konnte ihm sein Mandat in einem geordneten Absetzungsverfahren wieder entzogen werden. Weiter konnte man sich von Machiavellis Ideal des vollendeten Fürsten kaum entfernen.
    Machiavelli in den wesentlichen Punkten zuzustimmen erforderte Mut. Diesen hatte Thomas Hobbes, der Machiavellis Vorstellung vom bellum omnium contra omnes, dem Krieg der Menschen untereinander im Naturzustand, zum Ausgangspunkt seines Hauptwerks Leviathan machte. Darin plädiert er mit ähnlichen Gründen wie Machiavelli für einen starken Staat. Selbst wenn diese Herrschaft zur Tyrannei absinkt, ist Widerstand nicht erlaubt. Denn alles ist erträglicher als das Leben des Menschen außerhalb des Staates.
    Schärfsten Protest gegen den «perfiden Fürstenknecht» Machiavelli meldeten repräsentative Staatsdenker der Aufklärung an. Die heftigste Polemik entfachte der preußische Kronprinz Friedrich von Hohenzollern, der mithilfe Voltaires 1740 in gepflegtem Französisch seinen Anti-Machiavel veröffentlichte. Darin geißelte der Prinz Machiavellis Menschenbild als menschenverachtend und seine politische Lehre als Anleitung zur reinen Despotie. Krieg, so Friedrich als Kronprinz, dürfe ein Herrscher nur in äußersten Notfällen führen; von diesen abgesehen, müsse er das Leben seiner Untertanen als höchstes Gut betrachten und schützen. Wenige Wochen nach Fertigstellung dieses hoch moralischen Textes wurde aus dem Kronprinzen König Friedrich II. in Preußen. Dieser aber hatte nichts Eiligeres zu tun, als einen Eroberungskrieg zu beginnen, der mit kurzen Unterbrechungen bis 1763 dauerte und über eine Million Menschenleben kostete. Natürlich hatte es der König nicht versäumt, seinen Krieg als reine Notwehr auszugeben.
    Doch im 18. Jahrhundert konnte man Machiavelli auch umgekehrt interpretieren. Für den Genfer Jean-Jacques Rousseau war Machiavelli der verkappte Revolutionär, der Europa hinter der Maske des Fürstendieners vor Augen führte, wie man sich der Tyrannen entledigen konnte. Darüber hinaus zeigte der Machiavelli der Discorsi laut Rousseau, was die Republik zu ihrem Gedeihen unbedingt brauchte: eine
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