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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
Autoren: Volker Reinhardt
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da schon hin?
O göttliche Tugend! Glücklich diejenigen, die dich besitzen! Dieses himmlische Gewand, mit dem wir uns kleiden müssen, wenn wir zu der himmlischen Hochzeit mit unserem Kaiser Jesus Christus im himmlischen Reich zugelassen werden wollen! Und wer es nicht trägt, wird von diesem Gastmahl vertrieben und ins ewige Feuer gestoßen.[ 31 ]
    Machiavelli sah seinen Platz dort unten, bei Uguccione della Faggiuola und Castruccio Castracani.

EPILOG: VERFEMUNG ODER RUHM

    Die Auseinandersetzung mit dem anstößigen Denker Machiavelli begann schon zu seinen Lebzeiten. In den düsteren Monaten nach dem Sacco di Roma schrieb Francesco Guicciardini seinen kritischen Kommentar über Machiavellis Discorsi. In diesen scharfsinnigen Bemerkungen zeigte sich Guicciardini von der Vorlage fasziniert und abgestoßen zugleich. Von seiner Kritik an Machiavellis Romgläubigkeit und seinem Gegenkonzept der Geschichte, die ins Unbekannte aufbricht, war schon die Rede. Kritik äußerte Guicciardini, der als päpstlicher Statthalter in den Wirren des Jahres 1527 wusste, wovon er schrieb, jedoch auch an Machiavellis Lob des Krieges. Krieg war nicht der Motor der Politik, sondern musste im Gegenteil um jeden Preis vermieden werden, weil Krieg Wirtschaft, Gesellschaft und Staat zerstört.
    Francesco Vettori, der nach Filippo Casavecchia das Buch «Von den Fürstentümern» als Zweiter zu lesen bekam, entwickelte in intensiver Auseinandersetzung mit den provozierenden Ideen Machiavellis eigene Vorstellungen von Mensch und Staat. Auch für Vettori ist der Zustand der Welt so, dass alle Menschen zum Betrug gezwungen sind, speziell die Kleinen, die sich nur durch Täuschung gegen die Ausbeutung der Großen zur Wehr setzen können. Die Natur, so Vettori, will den Betrug, er schärft die Sinne und den Verstand. Wer dieses Spiel nicht mitspielt, geht zugrunde – wie es der milde und gerechte Christus am Kreuz vormacht. Alle Kunst der Politik beschränkt sich darauf, das unaufhebbare Unrecht der Welt zu mildern. Doch diese Kunst wird selten genug praktiziert. Im Regelfall ist Politik nichts anderes als die legalisierte Unterdrückung und Ausbeutung der Armen durch die Reichen. In dieser Hinsicht ist die Republik schlimmer als die Monarchie, denn in der Republik sind die Ausbeuter zahlreich und ihre Gelüste kaum zu befriedigen. Der am wenigsten schlechte Staat ist daher die Monarchie, die das Volk so gut wie möglich gegen Hunger schützt, ihm so viele traditionelle Freiräume wie möglich lässt, den Adel im Zaum hält und auf zerstörerische Unternehmungen wie Krieg und Eroberung verzichtet. Der beste Herrscher ist derjenige, der spielt und seine Höflinge beim Spiel gewinnen lässt, ohne dass sie es bemerken. Damit stillt er den Ehrgeiz der Vornehmen, ohne Schaden anzurichten. Eine klarere Absage konnte man Machiavelli nicht erteilen.
    Die Hauptwerke Machiavellis, das Buch vom Fürsten, die Discorsi und die Geschichte von Florenz, wurden in den Jahren 1531 und 1532 gedruckt; weitere Texte folgten vor der Mitte des 16. Jahrhunderts nach. Auf diese Weise erreichten seine Schriften, die vorher in den Kreisen des Florentiner Patriziats zirkulierten, die italienische Bildungselite und bald darauf in Form von Übersetzungen die europäische Öffentlichkeit. Dort erregten sie eine Aufmerksamkeit ohnegleichen. Im Zeitalter der Reformationen war Machiavellis negatives Bild vom Menschen durchaus akzeptabel. Auch Calvin sah den Menschen von der unwiderstehlichen Neigung zum Bösen regelrecht zerfressen. Doch dass man diese Destruktivität für den starken Staat nutzbar machen und dafür überdies die Gesetze der Moral außer Kraft setzen sollte, war für das konfessionell geprägte Europa eine Provokation ohnegleichen. Machiavelli wurde auf diese Weise frühzeitig zur Verkörperung des Bösen schlechthin; im Englischen bürgerte sich die von seinem Vornamen abgeleitete Bezeichnung Old Nick als Synonym des Teufels ein.
    Gelesen aber wurden die skandalösen Texte deswegen nicht weniger. Alle Staatstheorie der Folgezeit wurde zur Auseinandersetzung mit Machiavellis anstößigen Thesen. Dabei lassen sich einige Hauptströmungen der Machiavelli-Rezeption voneinander abgrenzen. Christliche Empörung über den teuflischen Verderber der Politik schlug sich in Traktaten nieder, die das traditionelle Ideal des guten Herrschers als väterlicher Erzieher und moralisches Vorbild seines Volkes zeitgemäß zu erneuern suchten. Bezeichnenderweise kamen auch solche
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