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Macabros 030: Tempel der Versteinerten

Macabros 030: Tempel der Versteinerten

Titel: Macabros 030: Tempel der Versteinerten
Autoren: Dan Shocker
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das Fenster geöffnet wurde und der helle Schein direkt
auf die Terrasse fiel. Der Schattenriß Batskills zeigte sich im
Fensterkreuz und auf den Travertin-Platten der Terrasse.
    Die Halbaraberin preßte sich eng an die Hauswand, hielt
unwillkürlich den Atem an und hoffte, daß der Hausbesitzer
sie nicht sah.
    Clea lauschte.
    Leises Säuseln belebte das Blattwerk. Die Vorhänge neben
ihr bewegten sich im Wind.
    Die Polizistin zuckte zusammen.
    Vorhänge?
    Da erkannte sie, daß die Tür zum Wohnzimmer offen
stand, und im gleichen Augenblick nahm sie auch eine Bewegung am
anderen Ende der Terrasse wahr. Ein Tier! Eine Katze! Daran hatte sie
im ersten Augenblick nicht gedacht. Sie wußte, daß es im
Haus eine Katze gab, die hatte sie schon gestern und vorgestern
gesehen. Aber unmittelbar nach seiner Ankunft im Haus mußte
Batskill die Terrassentür geöffnet haben, um das Tier
hinauszulassen.
    Der Vierbeiner spähte um die Hausecke, starrte Clea aus
grün schillernden Augen an und tauchte dann blitzschnell im
Gesträuch unter.
    Was für eine Chance! Nur dieser eine Gedanke hatte in dieser
Sekunde noch Platz im Gehirn der jungen Frau. Sie überlegte
nicht und handelte.
    Nur ein einziger Schritt – und sie überwand die Schwelle
zum Wohnraum und stand in Lee Batskills Haus.
     
    *
     
    Sie blickte sich um. Alte, wertvolle Möbel und
Ölgemälde fielen ihr auf. Die Tapeten und Vorhänge
waren dunkel gehalten. Im Halbdämmern einer kleinen Tischlampe
wirkte das Ganze düster und bedrückend.
    Hohe, schwere Eichentüren mit Intarsienarbeiten verbanden die
unteren Räume miteinander. Clea näherte sich der gewundenen
Holztreppe, die zunächst auf eine Galerie und von dort, aus zu
den einzelnen Räumen führte.
    Schummriges Licht sickerte von oben herab, und ein leises Murmeln,
das wie eine Beschwörung klang, war zu vernehmen.
    Langsam stieg die junge Frau die Treppe empor. Was ging dort oben
vor? In diesem Haus schien es ihr nicht ganz geheuer zu sein. Die
Atmosphäre gefiel ihr nicht.
    Clea Malcolms Sinne waren zum Zerreißen gespannt.
    Wenn ihr Lee Batskill jetzt entgegenkam, konnte das
äußerst unangenehme Folgen für sie haben. Sie durfte
auf keinen Fall entdeckt werden. Was sie tat, überschritt ihre
Kompetenzen. Sie konnte nicht damit rechnen, von irgendeiner Seite
gestützt zu werden, wenn man sie hier überraschte. Nur
eines würde ihr bleiben: die überstürzte Flucht. Aber
damit wäre ihr nicht gedient. Sie mußte über diesen
Mann etwas in Erfahrung bringen. Ihr Gefühl sagte ihr, daß
mit ihm etwas nicht stimmte.
    Clea Malcolm erreichte die Galerie, hielt sich dicht an der Wand,
lief dort entlang und stellte fest, daß die Räume hier
oben keine Türen hatten. Ein Labyrinth von Zimmern, die durch
schwere rote Samtvorhänge voneinander getrennt waren, lag vor
ihr.
    In einem Raum brannte Licht. Dort hielt Batskill sich auf. Unruhig
flackernder Schein, wie von einer Kerze herrührend, ließ
die Dinge rundum seltsam lebendig erscheinen.
    Clea hatte in Erfahrung gebracht, daß Batskill Skulpturen,
kunstgewerbliche und kunsthistorische Gegenstände sammelte,
daß sein Hobby die Archäologie und die Bildhauerei war.
Das erkannte man hier oben auch sofort, denn das obere Stockwerk
glich einem altertümlichen Museum. Vor den Wänden, an Ecken
und in Nischen standen Sockel, auf denen in Stein gehauene Figuren
thronten. Figuren, die aus einem Marmorblock herausgearbeitet
schienen, so klar und makellos waren die Formen.
    Was Clea Malcolm sofort auffiel: bei den lebensgroßen
Figuren handelte es sich ausschließlich um – Frauen!
    Sie schluckte, als sich ihr unwillkürlich eine bestimmte
Assoziation aufdrängte.
    Lee Batskill und seine Anzeigen in den Heiratsspalten der
großen Zeitungen Londons. Lee Batskill und seine Schwäche
für schöne, einsame Frauen! Hier umgab er sich mit kalten,
blutleeren Marmorschönheiten und – da drängte sich ihr
eine weitere Assoziation auf.
    Konnte es nicht sein, daß sich hinter Lee Batskill ein
heimlicher Triebverbrecher verbarg, der die Frauen nur kennenlernte,
sie als Modell benutzte und die fremden Schönen darin spurlos
verschwinden ließ? Vielleicht benutzte er auch ihre Körper
als Modell und war gar kein Bildhauer, sondern umhüllte die
Leichen mit einer Plastikmasse, die einen steinähnlichen
Eindruck vermittelte.
    Clea fand diese Überlegung nicht mal so absurd. Die
Kriminalgeschichte bewies, daß schon die unglaublichsten
Verbrechen begangen wurden, daß es nichts gab, was
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