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Macabros 030: Tempel der Versteinerten

Macabros 030: Tempel der Versteinerten

Titel: Macabros 030: Tempel der Versteinerten
Autoren: Dan Shocker
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er als Schriftsteller und Berater für
Zeitschriften tätig war, in denen unter verschiedenen
Pseudonymen Artikel von ihm erschienen.
    Dieser Batskill schien in der Tat ein interessanter Mensch zu
sein, dachte Jane Goodwin und entschloß sich, den nächsten
Schritt zu gehen.
    Am Abend des gleichen Tages rief sie von ihrer hübschen
Stadtwohnung aus an. Nach dem dritten Klingelzeichen meldete sich Lee
Batskill. Er hatte eine dunkle, angenehme Stimme. Auch sie war Jane
vom ersten Augenblick an sympathisch.
    Die Kontaktaufnahme entwickelte sich freier und ungezwungener, als
sie befürchtet hatte. Sie hatte sich ihr Gespräch und ihr
Vorgehen genau zurechtgelegt, aber als sie dann sprach, als sie
fragte und plauderte, da war doch alles ganz anders. Es ergab sich
alles wie von selbst, und sie war froh darum.
    Sie kamen überein, sich Samstagabend zum ersten Mal zu
treffen und ›zu beschnuppern‹, wie Lee Batskill lachend
meinte. Schon jetzt habe er ein gutes Gefühl, diesmal keine
Enttäuschung zu erleben. Sie gefiele ihm vom Äußeren
her sehr gut – Jane hatte ihm ein Foto mitgeschickt – und
wenn das Geistige und Seelische auch übereinstimmten, dann
wäre das die beste Basis, die man sich überhaupt
wünschen könnte. Manchmal würden im Leben die
Würfel recht seltsam fallen, und das Schicksal führe
Menschen zusammen, die sich auf Anhieb sympathisch wären, ohne
zuvor jemals voneinander gewußt zu haben.
    Ein kleines gemütliches Lokal im Stadtteil Soho, wo man gut
essen und trinken konnte, wurde als Treffpunkt auserkoren.
    Lee Batskill hatte die längere Anreise. Jane Goodwin traf vor
ihm im »Chemin« ein, einem französischen
Spezialitätenrestaurant mit Kaminatmosphäre und leiser
Musik und Kerzenschein. Jane fühlte sich aufgeregt, je
näher der Zeitpunkt kam, an dem der Mann, mit dem sie verabredet
war, eintreffen wollte.
    Er kannte sie durch das Foto. Lee selbst hatte kein Bild
mitgeschickt, da – wie er glaubhaft und witzig in seinem Brief
versicherte – kein neueres Foto von ihm existiere und ihr nicht
damit gedient sei, wenn er eine Aufnahme von sich in Strampelhosen
oder als Etonschüler vorlegte. Am besten sei da die
persönliche Vorstellung in Lebensgröße. Nähere
Angaben über seine Person waren nur spärlich.
    Es war zwei Minuten nach acht, als ein einzelner Gast das
»Chemin« betrat. Der Ankömmling trug einen dunklen
Anzug mit feinem Nadelstreifen und eine dezent gemusterte Krawatte.
In der Rechten hielt er einen in weißes Seidenpapier
eingeschlagenen Blumenstrauß.
    Jane Goodwin lächelte. Sie saß in einer Ecke neben dem
Kamin. Von hier aus konnte man gut das kleine, verwinkelte Lokal und
den Eingang überblicken.
    Sie machte eine kaum merkliche Handbewegung, um auf sich
aufmerksam zu machen. Aber da hatte Lee Batskill sie schon erblickt.
Seine Miene hellte sich auf.
    Jane atmete tief durch… Ein gut aussehender Mann! Daß
er schon achtundvierzig war, sah man ihm nicht an. Sie würde ihn
auf den ersten Blick zehn Jahre jünger schätzen. Gepflegtes
Äußeres, sicheres Auftreten – ein Mann, der es nicht
schwer hatte, das Herz einer Frau zu erobern.
    Mit diesem Gedanken schlich sich sofort eine andere
Überlegung in ihr Bewußtsein. Wenn ein Mann so gut aussah,
dann hatte er es doch nicht nötig, eine Heiratsanzeige
aufzugeben und… Sie verwarf die Überlegung ebenso schnell
wieder, wie sie ihr gekommen war, und im stillen schalt sie sich eine
Närrin, daß sie so vorschnell urteilte, als käme es
ihr darauf an, negative Punkte zu sammeln, um diese Begegnung schon
im Keim zu vergiften.
    Niemand vermochte hinter die Stirn dieses Mannes zu blicken, der
sich nach dem Tod seiner Frau vom gesellschaftlichen Leben
zurückgezogen und möglicherweise – genau wie sie
– den Anschluß verpaßt hatte, der erst wieder zu
sich selbst hatte finden müssen, um einen neuen Anfang zu
riskieren. Auch wie sehr er seine Frau geliebt hatte, spielte dabei
keine untergeordnete Rolle.
    Lee Batskill kam an ihren Tisch und reichte ihr die Hand.
»Sie sind Jane«, sagte er einfach. »Ich freue mich,
Sie hier zu sehen.« Er wickelte das Papier von dem Strauß
und legte die Blumen – einen buntgemischten Rosenstrauß
– neben die junge Frau.
    Jane Goodwin lächelte. »Ich auch.« Es klang
ehrlich.
    Er war ein stattlicher Mann mit breiten Schultern und schmalen
Hüften, und sie schätzte seine Größe auf
einsachtzig.
    Er war etwas ernst, wenn er sprach, und ihr fiel auf, daß
seine Blicke manchmal verträumt
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