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Lyonesse 2 - Die grüne Perle

Titel: Lyonesse 2 - Die grüne Perle
Autoren: Jack Vance
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mich, dich so fern von Trilda anzutreffen! Hast du alles Interesse an meinen Angelegenheiten verloren?«
    »Gelegentlich kommt es vor, daß andere Dinge meine Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen«, erwiderte Shimrod. »Im Augenblick möchte ich ein paar Worte mit Vishbume sprechen. Du hast ihn gestern abend gesehen; wo ist er jetzt?«
    Tamurello schüttelte lächelnd den Kopf. »Er ging seiner Wege, und ich meiner; ich weiß nichts von seinem derzeitigen Aufenthalt.«
    »Warum nicht lebenslange Gewohnheit einmal ändern und mit Offenheit sprechen?« fragte Shimrod. »Die Wahrheit braucht schließlich nicht nur als letzte Zuflucht der Taktik zu dienen.«
    »Ach, Shimrod! Deine schlechte Meinung von mir betrübt mich. Was Vishbume angeht, so habe ich ja nichts zu verbergen. Ich habe gestern abend mit ihm gesprochen, und dann haben wir uns getrennt. Ich habe keine Kenntnis von seinen Plänen.«
    »Was hat er dir erzählt?«
    »Hmm! Ich fürchte, wir bewegen uns nun dicht am Rande der Vertraulichkeit. Gleichviel, ich will dir sagen, was ich weiß. Er berichtete mir, daß er soeben aus Tanjecterly gekommen sei, welches zu Twittens ›Dekadiade‹ gehört, wie du vielleicht weißt.«
    »Etwas Diesbezügliches ist mir zu Ohren gekommen. Hat er Prinzessin Glyneth erwähnt? Was hatte er von ihr zu berichten?«
    »Was das betrifft, so machte er einige Ausflüchte; ich folgere aber, daß sie ein unglückliches Ende gefunden hat. Tanjecterly ist ein grausames Reich.«
    »Er sagte aber nichts Genaues?«
    »Eigentlich nicht. Im Gegenteil, seine Absicht war, mir so wenig wie möglich zu sagen.«
    »Entledigte er sich in deiner Anwesenheit all seiner Kleider – aus Gründen, die sich meinen Mutmaßungen ganz und gar entziehen?«
    »Was für eine erstaunliche Idee!« erklärte Tamurello im Ton sanften Vorwurfs. »Die Bilder, die du da vor meinem geistigen Auge heraufbeschwörst, sind beklagenswert!«
    »Wie überaus merkwürdig! Gestern abend fand ich seine Kleider in einem Haufen am Straßenrand.«
    Tamurello schüttelte milde den Kopf. »In Fällen dieser Art kommt es oft vor, daß man die einfache Erklärung ignoriert oder übersieht. Vielleicht hat er seine vom Reisestaub beschmutzten Gewänder gegen andere ausgewechselt, in denen er ein besseres Bild machte?«
    »Würde er sein wertvolles Exemplar von ›Twittens Almanach‹ zusammen mit den schmutzigen Kleidern wegwerfen?«
    Tamurello war darauf nicht gefaßt gewesen; seine heimtückisch wirkenden Brauen hoben sich, und er strich sich über den säuberlichen schwarzen Bart. »Da läßt sich nur vermuten, daß er geistesabwesend oder launenhaft war. Aber natürlich kann ich mir nicht anmaßen zu wissen, welche wunderlichen Grillen Vishbume bewegen. Und jetzt entschuldige mich bitte.«
    Tamurello wandte sich Melancthe zu. »Und was hast du Interessantes gefunden?«
    »Hier habe ich meine Blumen gefunden, doch die Pflanzen sind gestorben, und ich werde ihren Zauber nie wieder erleben.«
    »Wie schade.« Tamurello warf einen Blick auf den Stand und gewahrte die grüne Perle. Er erstarrte im selben Moment und bewegte sich dann mit langsamen Schritten zu der Schachtel, um sich darüberzubeugen.
    »Eine grüne Perle, ein unvergleichliches Einzelstück!« rief Yossip aufgeregt. »Der Preis? Lächerliche hundert Goldstücke.«
    Tamurello achtete nicht auf ihn. Er streckte die Hand aus, und seine Finger wollten sich flatternd auf die Perle senken. Da schnellte aus dem Schatten am Ende der Theke eine grün-schwarze Schlange hervor. Sie packte die Perle mit dem Maul und verschlang sie im Handumdrehen. Dann glitt sie von der Theke herunter auf den Boden und war gleich darauf im Wald verschwunden.
    Tamurello stieß einen erstickten Schrei aus und rannte um den Stand herum, aber er sah nur noch, wie die Schlange in ein Loch zwischen den Wurzeln einer knorrigen alten Eiche schlüpfte.
    Tamurello ballte die Fäuste, rief einen sechssilbigen Zauberspruch und verwandelte sich in ein langgestrecktes graues Wiesel, das in das Loch huschte, der Schlange nach.
    Leises Quieken und Zischen ertönte unter der Erde; dann war es still.
    Eine Minute verging. Dann kam das Wiesel aus dem Loch. Es trug die grüne Perle in der Schnauze. Mit roten Augen warf es einen funkelnden Blick über den Anger, setzte sich dann jäh in Bewegung und wollte davonspringen.
    Ein rotgesichtiger junger Bauer mit flachsgelbem Haar war schneller. Er stülpte ein Glas über das Wiesel und schraubte den Deckel auf, wobei er das
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