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Luzifers Kathedrale

Luzifers Kathedrale

Titel: Luzifers Kathedrale
Autoren: Jason Dark
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recht locker gewesen war, veränderte seinen Gesichtsausdruck. Er wurde sehr nachdenklich. »Ja«, stimmte er zu, »das hat einen zweiten Grund.«
    »Ich höre.«
    »Es geht um einen Kollegen, der getötet wurde. Ich meine, um einen ehemaligen Kollegen.«
    »Er wurde also ermordet.«
    Bill schob die Unterlippe vor. »So kann man es auch ausdrücken.«
    »Wie kam er um?«
    »Das ist das Problem, John.« Der Reporter wurde noch ernster. »Man hat ihn gefoltert und mit glühendem Stacheldraht umwickelt. Daran ist er dann gestorben...«
    ***
    Der Schrei heulte durch die Kirche wie der Klang einer schaurigen Sirene. Er war schrecklich. Er war nicht richtig einzuordnen, und beim Erklingen des Schreis hatte es den Schäfer von seinem Sitz gerissen.
    Jetzt stand er starr und trotzdem irgendwie zitternd in der Bank und lauschte.
    Ob der Ruf kurz oder lang gewesen war, wusste er nicht. Jedenfalls hatte er sich vervielfältigt und schien nicht enden zu wollen. Er jagte durch die Kirche, er brach sich an den Wänden, er war laut und schrill zugleich und verwehte dann im Innern, als hätten ihn die Wände verschluckt.
    Aus! Schluss! Ende!
    Julian holte tief Luft. So löste er sich aus seiner Erstarrung, aber er fühlte sich keineswegs erleichtert, denn er hatte nicht feststellen können, wer den Schrei abgegeben hatte. Niemand außer ihm hielt sich in der Kirche auf. Zumindest hatte er keine weitere Person gesehen.
    Sein Herz klopfte so schnell wie selten. Es war kalt in der Kathedrale, aber er begann zu schwitzen. Der Schweiß legte sich auf sein Gesicht und war besonders intensiv an der Stirn.
    Durch den offenen Mund holte der Schäfer Luft. Seine Hände zitterten, und es gelang ihm nicht, die Finger ruhig zu halten. Sie bewegten sich trommelnd auf dem Holz der Bank.
    Allmählich ebbte seine Starre ab. Durch tiefes Einatmen sorgte er für eine innerliche Ruhe und für ein normales Denken.
    Er wollte unter allen Umständen herausfinden, wer den Schrei abgegeben hatte. Es musste sich jemand in der Kirche aufhalten, das stand für ihn fest. Nur wo konnte sich der Typ verborgen halten, und weshalb hatte er so geschrien.
    Noch immer in der Bank stehend, drehte er sich um. Er lauschte dabei dem eigenen Atem nach. Er versuchte, die Dunkelheit mit seinen blicken zu durchdringen, aber es war nichts zu sehen.
    Finsternis, Schatten, das hellere Grau in der Nähe der Fenster und die üblichen Geräusche von außen, die auch weiterhin seine Ohren erreichten.
    Für McBell waren sie jetzt lächerlich geworden, wenn er sie mit dem Schrei verglich. Das war auch keine Täuschung gewesen. Er hatte ihn tatsächlich gehört. Obwohl er es nicht wollte, wartete er auf die Wiederholung, die allerdings nicht eintrat.
    Einmal. Nur. Einmal der Schrecken, dann war es vorbei!
    Die Feuchtigkeit der Kleidung hatte ihn fast steif werden lassen. Er bewegte sich nach rechts, um die Bankreihe zu verlassen. Es war jetzt wichtig, sich zu bewegen und nicht einfach nur stehen zu bleiben. Nur so konnte er etwas erfahren.
    Jetzt tat sich nichts.
    Es fiel ihm keine Bewegung auf. Er hörte keinen fremden Laut. Nur die eigenen Geräusche, die er hinterließ. Ansonsten war es wie die Ruhe vor dem großen Sturm.
    Noch immer war sein Gesicht nicht getrocknet. McBell wischte mit einer nervösen Bewegung über die Haut. Sein Mantel hatte sich mit Wasser vollgesaugt und roch. Ebenso feucht klebten auch die Haare an seinem Kopf, und der Bart wirkte auch jetzt wie ein alter, vom Kinn herabhängender Lappen.
    Der Schäfer sah nichts, er hörte nichts, aber er erinnerte sich. Da war etwas gewesen. Nicht in seiner Nähe, sondern hoch über seinem Kopf. Dort war etwas wie ein Schatten über die Decke gehuscht. Nur wollte er nicht an einen Schatten glauben. Es gab keine Lichtquelle, die ihn hätte produzieren können. Für ihn war das etwas anderes gewesen, und da fiel ihm nur eine Lösung ein.
    Ein Lebewesen!
    Genau das musste einfach den Schrei ausgestoßen haben. Keine andere Lösung kam ihm in den Sinn. Nur – wo steckte dieses Wesen, das seiner Ansicht nach kein Mensch war? Wenn das zutraf, musste sich ein Tier in die Kathedrale verirrt haben.
    Seinen Beruf führte er in der Natur durch. Er kannte sich entsprechend aus, und deshalb wusste er auch, welche Tiere auf der Insel lebten. Aber er kannte keines, das einen derartigen Schrei hätte abgeben können. Das war auch kein Vogel gewesen, und die Seeadler, die er ab und zu beobachtete, weil sie ihm schon Schafe gerissen hatten,
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