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Lustnächte

Lustnächte

Titel: Lustnächte
Autoren: Barbara DuMont
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stöhnte. Hatten sich denn alle gegen ihn verschworen? Vielleicht sollte er in Erwägung ziehen, in ein Heim zu gehen. Dort musste man nicht arbeiten, bekam sein Essen vorgesetzt ohne sich mit einer Haushälterin streiten zu müssen und wenn …
    „Hörst du überhaupt zu?“ Marc und Jean-Luc hatten sich Stühle vor seinen Schreibtisch gezogen.
    „Mir ist schlecht.“
    Ihm war wirklich übel. Vielleicht sollte er einfach wieder nach Hause gehen und sich ins Bett legen. An produktives Arbeiten war heute nicht zu denken.
    „Das hast du dir selbst zuzuschreiben. Trink nicht am Wochenende, dann bist du montags auch arbeitsfähig.“
    Die beiden hatten also auch kein Verständnis für sein Elend. Feine Freunde!
    Jean-Luc baute seinen Laptop vor ihm auf und schob ihn näher.
    „Na? Was sagst du dazu“, fragte er und wirkte recht selbstgefällig. Pierre starrte auf den Bildschirm. „Was ist das?“
    „Guter Gott, Pierre. Wach auf! Das ist die Übersetzung des Pergaments, das du letzte Woche in der Abtei von Landévennec gefunden hast.“
    „Das Pergament, das ihm bei Vermessungsarbeiten an seinen klebrigen Fingern hängen geblieben ist“, verbesserte Marc mit süffisantem Grinsen.
    Pierre warf zwei Aspirin in ein Wasserglas.
    „Ich habe es nicht gestohlen. Ich hatte es in meine Jackentasche gesteckt und dann vergessen.“
    „Ah ja? Ist das so?“
    „Ja, so ist es. Ich hatte noch keine Zeit, mich darum zu kümmern, wem es gehört.“
    Marc grinste immer noch. „Es gehört ohne Zweifel dem französischen Staat, wie alle Fundstücke dieser Art. Und wenn sich mein Verdacht bestätigt, ist es von unschätzbarem Wert. Jean-Luc und ich plädieren dafür, wohlwollend über seine Herkunft zu schweigen und die Rückgabe ein wenig – sagen wir es einmal so – hinauszuzögern. Oder Möglichkeit Nummer zwei, die dich etwas weniger in Erklärungsnot bringen würde, wäre, dass wir seine Existenz einfach verschweigen. Es gibt da nämlich interessante Erkenntnisse zu dem guten Stück. Lies erst mal die Übersetzung.“
    Dieser alte Fetzen Pergament schien seine Freunde weitaus mehr zu interessieren als seine angeschlagene Gesundheit. Er holte tief Luft. Am besten, er las, was sie da hatten. Vielleicht ließen sie sich dann hinauskomplimentieren. Jean-Luc zumindest. Marc konnte er an die Arbeit schicken. Er fuhr sich mit der Linken über das kurz geschorene Haar und blinzelte. Nach wenigen Zeilen tastete er nach seiner Brille, ohne den Blick vom Bildschirm wenden zu können. Marc schob sie ihm in die Hand.
    „Soll ich die Schrift ein wenig größer machen?“
    Pierre gab keine Antwort. Was er sah, war ungeheuerlich. Zur Vorsicht las er den Text ein zweites Mal. Dann schaute er ungläubig auf sein Gegenüber. Seine Kopfschmerzen waren für den Moment vergessen.
    „Seid ihr sicher, dass das genau das ist, was in dem Pergament steht?“
    „Kein Zweifel möglich! Es ist in sehr gutem Latein abgefasst. Ichdarf mich rühmen, diese Sprache mindestens so gut zu sprechen wie der Papst persönlich. Und ich habe, wenn ich dir das in Erinnerung rufen darf, mittelalterliche Geschichte studiert und verdiene seither meinen Lebensunterhalt damit. Du hast wenig Grund, diese Übersetzung anzuzweifeln.“
    Er war noch immer nicht ganz überzeugt.
    „Könnte es eine Fälschung sein?“
    „Diese Möglichkeit möchte ich ebenfalls in Betracht ziehen. Wenn es dir recht ist, zeige ich es einem Kollegen. Er ist Sachverständiger auf diesem Gebiet und könnte anhand der Tinte und der Art der Herstellung des Pergaments das Alter ziemlich genau feststellen.“
    „Und gegen entsprechende Bezahlung über seine Existenz schweigen“, setzte Jean-Luc hinzu.
    „Was von entscheidender Wichtigkeit ist“, mischte sich Marc ein. „Scroll mal weiter runter. Auf der letzten Seite ist eine Zeichnung in der unteren, rechten Ecke des Dokuments.“ Ungeduldig rutschte er auf seinem Sessel nach vorn und legte seine Hand auf Jean-Lucs Knie. Der griff danach und drückte sie. Wenn sie das heute Morgen wenigstens lassen könnten.
    „Die Zeichnung ist unkompliziert. Ein kleineres Dreieck in einem größeren, auf der Spitze stehend, ein paar lateinische Wörter, undeklinierte Nomen und in der Spitze eines jeden Dreiecks ein Tatzenkreuz“, erläuterte Jean-Luc und starrte ihn an, als müsste ihm die Bedeutung des Dokuments allein dadurch klar werden. Was sie natürlich nicht tat.
    „Zwei Dreiecke mit je einem Tatzenkreuz in jeder Spitze“, wiederholte Jean-Luc.
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