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Lustnächte

Lustnächte

Titel: Lustnächte
Autoren: Barbara DuMont
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griff er ohne Umschweife unter ihren Achseln hindurch, winkelte ihren linken Arm an und zog sie aus dem völlig verbeulten Wagen. Sie war ein Leichtgewicht und er trug sie ohne Mühe ins Haus. Er legte sie auf sein eigenes Bett. Es war ohne Zweifel bequemer als das im Gästezimmer. Was sollte er tun? Er musste einen Arzt rufen. Oder zuvor Erste Hilfe leisten und sehen, ob sie wieder zu sich kam. Vielleicht war es sinnvoll, sie erst einmal abzuwaschen und ein Pflaster auf die Wunde kleben. Nicht dass sie aufwachte und gleich wieder in Ohnmacht fiel, wenn sie das Blut sah. Frauen waren in dieser Hinsicht immer ein wenig zartbesaitet. Diese hier war sicher nicht anders. Ja, genau. Das war wohl das Beste. Er machte sich auf die Suche nach dem Verbandskasten und einer Schüssel. Später konnte er immer noch einen Arzt anrufen. Als er ihr vorsichtig das Blut vom Gesicht wischte, sah er, dass ihre Wimpern ein wenig flatterten. Sie schien zu sich zu kommen.
    Langsam kehrte Beatrix’ Verstand zurück. Was war nur passiert? Sie versuchte, sich zu erinnern. Doch da war nur dieses elende Dröhnen in ihrem Kopf. Und die dunkle, schmale Straße. Büsche, die sich im Wind bewegten. Ein Zaun. Krampfhaft versuchte sie, die Augen zu öffnen. Es ging nicht. Der Zaun kam wieder auf sie zu. Viel zu schnell. Hatte sie einen Unfall gehabt? Angestrengt versuchte sie erneut, die Augen zu öffnen. Diesmal gelang es. Oh, verdammt! Dieser Unfall war nicht gut ausgegangen. Sie war tot! Neben ihr saß ein Gott. Massig hob sich seine Gestalt von dem gleißend hellen Hintergrund ab. Breite Schultern, die Brust eines Athleten, muskulöse Arme und riesige Hände, die ihr zart wie Samt über die Wange strichen. Griechisch, registrierte die Historikerin in ihr. Sie kniff die Lider zusammen, öffnete sie vorsichtig wieder. Er war immer noch da. Sie wagte es nicht, sich zu bewegen. Nur ihr Blick glitt langsam nach oben zu einem markanten Kinn, weiter über einen sinnlichen Mund, über leicht schräg stehende Augen bis zudem kurz geschorenen, schwarzen Haar. Und dann wieder zurück zu diesen unglaublich blauen Augen in einem gebräunten Gesicht. Göttliche Augen! Aber was war das? Zwinkerte dieser Gott ihr zu?
    „Hallo, ich bin Pierre.“
    Oh, er hatte einen Namen. Noch dazu einen sehr weltlichen. Und er grinste sie breit an. Sie registrierte strahlend weiße Zähne. Und eine tiefe, melodische Stimme. Sie war eindeutig im Himmel gelandet. Vielleicht sollte sie sich einfach … Aber dieser Gott redete mit ihr. Vielleicht sollte sie besser antworten. Ein weiterer verzweifelter Versuch, klarer zu denken. Es gelang, sie verstand jetzt deutlich, was er sagte. Und mit einem Mal registrierte sie auch, dass sie in einem Bett lag. Lebte sie möglicherweise doch noch?
    Pierre grinste, erleichtert, dass sie von allein zu sich gekommen war. Noch sichtlich verwirrt. Aber das schien mit jedem Atemzug besser zu werden.
    „Wie geht es Ihnen?“
    „Was ist passiert?“
    Ihre Stimme war nur ein schwaches Flüstern. Aha, sie sprach französisch. Sehr hilfreich. Er betupfte mit zärtlicher Fürsorge weiter ihr Gesicht.
    „Sie haben meinen Gartenzaun zu einem Haufen Sperrmüll zusammengefahren.“
    „Oh!“
    „Nicht so tragisch“, erwiderte er. Irgendwie war sein Gartenzaun ihm nicht mehr wichtig.
    „Ist alles halb so wild. Sie sind mit ein paar Kratzern davongekommen. Halten Sie mal still, ich klebe ein Pflaster drauf. Den Rest kann man abwischen und dann sehen Sie wieder ganz passabel aus.“ Er klebte ihr das Pflaster auf die Stirn und strich es viel sorgfältiger fest, als es nötig gewesen wäre. Sein Handrücken machte sich selbstständig und streichelte ihr beruhigend die Wange.
    „Wie fühlen Sie sich?“
    „Ich … weiß nicht.“
    „Sie kommen aus Deutschland, nicht wahr? Sind Sie unterwegs in den Urlaub? Erwartet man Sie? Soll ich jemanden verständigen?“
    Eine Menge Fragen auf einmal. Aber besser, er brachte sie zum Reden, bevor sie wieder ohnmächtig wurde. So ganz war sie wohl immer noch nicht da.
    „Möchten Sie, dass ich jemanden verständige“, fragte er noch einmal.
    „Ich …“
    Komm, rede Mädchen.
    „Wo wollten Sie hin?“
    „Châteaulin … Aber dann habe ich mich verfahren.“
    Na also, das war doch schon ein ganzer Satz. Immer noch kaum hörbar. Aber immerhin.
    „Da sind Sie allerdings ein ganzes Stück vom Weg abgekommen. Erwartet Sie jemand in Châteaulin?“
    „Nein.“
    „Nein?“
    Komm schon, rede mit mir.
    „Ich … ich
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