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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
Autoren: Melanie Vogltanz
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sich in Bewegung und ging ein paar Schritte, nur geleitet
vom blassen Licht der Mondsichel, das sich durch ein kobaltblaues Wolkengebilde
kämpfte.
    Es war ein blankes
Wunder, dass Eloin selbst dieser Menschenjagd noch nicht zum Opfer gefallen
war, denn im Gegensatz zu den meisten ihrer Freunde war sie alles andere als
unauffällig. Ihr dunkles Haar reichte ihr bis knapp unter die Schulterblätter
und floss offen und ungebändigt über ihren Rücken. Sie trug ein bodenlanges, smaragdgrünes
Seidenkleid, das mit der Dunkelheit beinahe zu verschmelzen schien und das sie
einst mit ihren eigenen Händen gefertigt hatte. Das wohl Auffälligste an Eloin
waren ihre Augen. Sie waren von einer sehr dunklen, tiefsinnigen Farbe, die
sich keinem bestimmten Ton zuordnen ließen, und stachen scharf aus dem blassen
Gesicht hervor. Obwohl sie nicht sehr viel mehr als zwanzig Jahre zählte, stand
in diesem Blick unergründliches Wissen geschrieben – ein Wissen, das Eloin sich
nicht gewünscht hatte, das vielleicht sogar der Auslöser für ihre schreckliche
Situation war.
    »Wir müssen bald
gehen, Eloin«, drang eine dunkle Stimme in ihre Gedanken.
    Sie blieb stehen und
wandte den Kopf, um in Andreas´ stechend blaue Augen zu sehen, die sie eindringlich
musterten. Fast hatte sie seine Anwesenheit vergessen, so sehr war sie von
ihren nagenden Sorgen eingenommen gewesen.
    »Ich weiß«,
antwortete Eloin. »Ich hoffe nur, dass wir das Richtige tun.«
    Andreas´ Miene
verdüsterte sich ungehalten. »Um umzukehren, ist es bereits zu spät. Darüber
hättest du dir Gedanken machen sollen, bevor du Hals über Kopf über unser
Schicksal entschieden hast.«
    Seine ungewohnt
harten Worte und der Vorwurf darin versetzten ihr einen scharfen Stich. Es war
nicht das erste Mal, dass sie dieses Gespräch führten, aber das machte es nicht
erträglicher für sie. »Du weißt, dass ich keine andere Wahl hatte. Man würde
uns lynchen, wenn wir nur einen einzigen Tag länger in der Stadt blieben. Der
Weg, den ich für uns gewählt habe, ist der einzige. Aber das heißt noch nicht,
dass ich ihn für richtig halten muss«, fügte sie fast flüsternd hinzu.
    Es braucht viel Mut,
sich das Bein abzubeißen, ganz gleich, wie notwendig diese Tat auch scheint.
    Andreas schnaubte.
Sie wusste nur zu gut, was er dachte, und kam einer neuerlichen scharfen
Entgegnung von seiner Seite daher zuvor. »Du tust mir unrecht, mir einen
Vorwurf zu machen. Ich denke sehr wohl an die anderen, die wir hinter uns
zurücklassen, in jeder freien Sekunde. Aber wir können ihnen nur dann helfen,
wenn wir am Leben bleiben. Das weißt du doch.«
    Andreas seufzte, ein
Laut, der zugleich auch allen Zorn aus seiner Brust auszustoßen schien.
»Natürlich weiß ich das, meine Liebste. Verzeih mir meine Worte. Auch mich
macht diese ganze Situation angespannt und gereizt. Ich habe es nicht so
gemeint.« Seine Hand berührte sacht ihre Wange.
    »Doch«, murmelte
Eloin und entzog sich seiner Berührung. Sie schluckte schwer, sah dem Mann forschend
in die Augen. Was sie darin erkannte, ließ sie erschauern. Der warme Ausdruck,
der für gewöhnlich seine Züge beherrschte, hatte einer Härte Platz gemacht, die
Eloin beinahe Angst machte. Voller Bitterkeit und Zorn war er, auch wenn er
versuchte, es vor ihr zu verbergen. Sie kannte ihn einfach zu gut, um die
Veränderung nicht zu bemerken, die in ihm vorging.
    »Du hast es ganz genauso
gemeint«, fuhr sie leise fort. »Es ist nicht die Nervosität, die aus dir
spricht, und das weißt du ebenso gut wie ich. Sei ehrlich zu mir, Andreas. Da
ist noch etwas anderes, das dich gegen mich aufhetzt. Etwas Dunkles, Mächtiges
…«
    »Das ist ...«
    »Die volle Wahrheit,
und das weißt du«, fuhr Eloin ihm ins Wort. »Finstere Zeiten kommen auf uns zu,
Andreas. Die Menschheit steht vor einer schweren Prüfung.«
    Andreas antwortete
nicht, sondern starrte wortlos an Eloin vorbei in die Dunkelheit.
    »Etwas liegt in der
Luft«, fuhr Eloin mit gedämpfter Stimme fort. »Ich kann es fühlen, mit jeder
Faser meines Körpers. Etwas ... verändert die Menschen. Auch dich.«
    Diese Erkenntnis
schmerzte sie mehr als seine Worte. Eloin und Andreas waren eins gewesen,
solange sie sich kannten, eine einheitliche Seele, die man auf zwei unterschiedliche
Körper aufgeteilt hatte. In den letzten Wochen jedoch war eine kaum
überbrückbare Distanz zwischen ihnen aufgetaucht, ein gähnender Abgrund, den
kein warmes Wort und keine sachte Berührung überwinden konnten.
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