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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
Autoren: Melanie Vogltanz
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mit den
Läufen in ihre Richtung zu deuten und dabei ein möglichst entschlossenes
Gesicht aufzusetzen. Beinahe glaubte Eloin, so etwas wie leise Erleichterung in
ihren Augen zu lesen, als sie sahen, dass sie sich ebenso zur Flucht wandte wie
alle anderen zuvor, und sie nicht mit dem bösen Blick strafte, oder was auch immer
diese Narren von ihr erwarten mochten.
    Sie wandte sich wieder
um und legte noch einmal deutlich an Geschwindigkeit zu, huschte wie eine Katze
durch die engen, verwinkelten Gassen. Als sie erneut einen Blick zurückwarf,
war die Zahl ihrer Verfolger sichtbar geschrumpft. Ein gutes Drittel der Gruppe
war bereits weit zurückgefallen und starrte ihr aus hasserfüllten Augen nach;
der Anteil der eingefleischten Stadtmenschen unter den Beamten, denen es an
Kondition für eine solche Verfolgungsjagd mangelte.
    Immer weiter und
weiter hetzte Eloin durch die dunklen Straßen. Die hämmernden Schritte in ihrem
Rücken wurden leiser, sanken zu einem rhythmischen Klopfen herab, das sich mit
dem Geräusch ihres eigenen hektischen Atems und dem Pumpen ihres Herzens zu
einer gehetzten Melodie vermischte.
    Sie durften hier
nicht sein.
    Der Gedanke erschien
so klar hinter Eloins Stirn, als hätte ihn jemand direkt in ihr Ohr gehaucht.
Dieser Ort war pures Gift für den menschlichen Geist, ebenso wie ihre Anwesenheit
diesem düsteren Reich selbst schadete. Dies waren zwei verschiedene Welten, die
aufeinandertrafen und sich unweigerlich zerstören mussten. Etwas war hier, und
dieses Etwas missbilligte ihre Anwesenheit. Das Gefühl war so intensiv, dass
Eloin nicht anders konnte, als den Kopf zu drehen und sich ein weiteres Mal
nach ihren Verfolgern umzusehen.
    Den Großteil der
Truppe hatte Eloin bereits weit hinter sich gelassen, und obwohl die Männer
noch immer rannten, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie ihr Opfer vollends
aus den Augen verloren hätten und gezwungen wären, aufzugeben. Wahrscheinlich
hätte Eloin nun ihre Schritte verlangsamt, damit die Polizisten wieder aufholen
konnten und nicht das Interesse an ihr verloren, wäre da nicht ein einzelner
Mann gewesen, der ihre Geschwindigkeit ohne jede Mühe halten konnte.
    Als ihre Blicke sich
trafen, stockte Eloin unvermittelt der Atem. Da war etwas in dem Antlitz des
Mannes, das ihr das Gefühl gab, an einem heißen Sommertag einen Eimer Eiswasser
über den Kopf gestülpt zu bekommen. Das Gesicht ihres Verfolgers war zu einer
ausdruckslosen Maske erstarrt, in der nur die Augen zu leben schienen, diese
stechenden, grünen Augen, die von einem verzehrenden Feuer erfüllt waren. Sein
Haar war flammend rot, wie das des Teufels, mit dem Eloin oftmals so hartnäckig
in Verbindung gebracht wurde, und er schien getrieben von einer uralten Gier,
nicht menschlich und nicht tierisch, sondern eine obskure Mischung aus beidem. Eloin
begriff beinahe augenblicklich: Er war besessen von derselben, flüsternd-mahnenden
Energie, die sich in den Mauerritzen der MONDSCHEINGASSE festgesetzt und ihren
Weg irgendwie in die Seele dieses Menschen gefunden hatte.
    Mühsam schüttelte Eloin
diesen Gedanken ab und wandte sich wieder um, um nicht aus Versehen gegen ein
Hindernis zu laufen, was ein ziemlich unrühmliches Ende ihrer Flucht gewesen
wäre. Das Gefühl der Gefahr aber blieb, und als sie sich wieder voll und ganz darauf
konzentrierte, durch die Straßen zu hetzen, spürte sie auch wieder die Präsenz
des Fremden, das ihr Tun mit wachsamen Blicken verfolgte – nein, das war nicht
ganz richtig. Nicht es war fremd – sondern sie . Sie war in sein
Reich vorgedrungen, nicht umgekehrt, und dazu besaß sie einfach kein Recht. Und
irgendwie hatte sie das ungute Gefühl, für diesen Frevel noch einen bitteren
Preis bezahlen zu müssen.
    Beinahe gegen ihren
Willen beschleunigte Eloin ihre Schritte. Ihre Füße flogen geradezu über den
rissigen Asphalt, doch selbst das dumpfe Echo, das sie erzeugten, hallte fremd in
ihren Ohren wider, als würde etwas dieses Geräusch in sich aufsaugen und krankhaft
verzerrt wieder ausatmen.
    Der erste Schuss
krachte. Die Kugel verfehlte Eloin um einen halben Meter und stanzte ein
sauberes Loch in die Häuserwand vor ihr, Verputz rieselte von der Mauer und hüllte
Eloin in eine erstickende Wolke. Der Staub brannte in ihren Augen und ihrer
Kehle, und für einen Moment war sie so gut wie blind. Trotzdem drosselte sie
ihre Geschwindigkeit nicht, sondern stürmte weiter. Der Mann hatte nicht
daneben geschossen, sondern ganz gezielt auf die Wand
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