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Lumpenloretta

Lumpenloretta

Titel: Lumpenloretta
Autoren: Christine Nöstlinger
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zu ersparen.
    „Sohnemann, wenn du ein Problem hast“, hat er gesagt, „dann wende dich an mich, und wir regeln das unter uns.“
    Glatze hat getan, als ob er sich dran halten wird, aber geglaubt, dass es etwas bringt, sich an seinen Vater zu wenden, wenn er Hilfe braucht, hat er nicht. Weil Hilfe hat er immer nur gegen seine Mutter gebraucht, und einer, der mit seiner Frau nichts ausdiskutieren will, ist da keine große Hilfe. Hast du ja an der Läuse-Kahlschererei gesehen! Dass er sich nachher heimlich bei Glatze entschuldigt und gesagt hat, seine Frau hätte sonst einen Nervenzusammenbruch bekommen, hat Glatze kein einziges Haar zurückgebracht.
    Beim Schnitzelessen hat sich der Vater erkundigt, ob Glatze die neuen Nachbarn auch so schrecklich findet.
    „Zwei irre Typen sind die Alten schon“, hat Glatze, Schnitzel kauend, gemurmelt.
    „Und die Kinder?“, hat sein Vater gefragt.
    „Ein dickes männliches Baby ohne Haare und ein dünnes Girl“, hat Glatze gesagt und sich die letzten zwei Pommes von seinem Teller in den Mund geschoben.
    „Und wie alt ist dieses dünne Girl?“, hat sein Vater wissen wollen.
    „Wie ich so ungefähr.“ Glatze hat sich auf ein Loretta-Gespräch nicht einlassen wollen. Aber sein Vater hat nicht locker lassen. Ob sie wirklich so verboten ausschaut, wie seine Frau behauptet hat? So abgefuckt und grindig und lausig?
    Da hat Glatze nicht anders können, als „Schmarrn!“ zu sagen. Und noch dranzufügen: „Die Loretta ist total okay!“
    „Du weißt, wie sie heißt?“, hat sich sein Vater gewundert. „Hast du denn schon mit ihr geredet?“
    Glatze hat genickt, sich ein Pommes vom Teller seines Vaters gemopst und versucht, gelangweilt dreinzuschauen.
    „Und sie gefällt dir?“, hat sein Vater nachgehakt.
    Sich ausfragen zu lassen hat Glatze sowieso noch nie geschätzt. Also ist er die Antwort schuldig geblieben. Hat seinen Vater aber nicht gestört.
    „Klar gefällt sie dir! Das merk ich dir doch an!“, hat er grinsend gesagt und sich den Bierschaum aus dem Schnurrbart gewischt. „Es ist ja auch nichts dagegen einzuwenden. Bloß deine Mutter muss es nicht unbedingt mitkriegen. Kapiert?“
    „Kapiert“, hat Glatze gesagt.
    Wie sie in der Siedlung aus dem Auto gestiegen sind, ist es dämmrig, fast schon dunkel gewesen. Der Glatze-Vater hat zum 19er-Haus gedeutet, wo hinter keinem einzigen Fenster Licht gebrannt hat, und hat gesagt: „Entweder gehen die Neuen mit den Hendln schlafen oder sie sind ausgeflogen.“
    Dass die Nachbarn ausgeflogen sein könnten, hat Glatze nicht geglaubt. Weil der Teddybär-Bus vor dem Haus gestanden ist. Und zu Fuß, hat Glatze gedacht, sind die garantiert nicht weg. Aber er hat keinen Grund gesehen, es zu sagen.

AM NÄCHSTEN MORGEN IST DER Himmel wolkenlos blau gewesen. So warm, wie es sich für den August gehört, ist es auch wieder gewesen. Und die Glatze-Mutter hat ihren schweren Migräne-Anfall überstanden gehabt. Ob Glatze mit ihr zum Großeinkauf in den Supermarkt mitkommen will, hat sie ihn beim Frühstück gefragt. Glatze hat abgelehnt. Supermarkt hat ihn noch nie verlockt. Und heute schon gar nicht! Ungeduldig hat er darauf gewartet, dass sich seine Mutter endlich auf den Weg macht, damit er rüber zur Loretta kann. Aber seine Mutter hat es nicht eilig gehabt. Beim offenen Küchenfenster ist sie gestanden und hat zum Garten vom 19er-Haus gelinst und kopfschüttelnd gesagt: „Den Buggy haben diese Leute die ganze Nacht über draußen stehen lassen, wenn es wieder zu regnen angefangen hätte, wäre der jetzt waschelnass! Aber wenigstens machen sie momentan keinen Radau!“
    Dann hat sie total verblüfft gemurmelt: „Das gibt es ja nicht! Steigt einfach über den Zaun!“
    Glatze ist ziemlich klar gewesen, wer da von wo über die Ribiselstauden gestiegen sein wird, also ist er beim Küchentisch sitzen geblieben und hat abgewartet, wie es weitergeht. Lange hat er nicht warten müssen, dann ist die Loretta auch schon vor dem Küchenfenster aufgetaucht. Einen grauen XXL-Herrenpulli mit ausgefranstem Halsloch und reichlich Flecken auf der Brust hat sie angehabt, ihre Haare sind schlafverwurstelt gewesen. Freundlich lächelnd hat sie der Glatze-Mutter ein Reindl mit Stiel hingehalten und gesagt: „Ich tät ein bisserl Milch für den Hank brauchen, weil unsere ist aus, und hier gibt’s ja nirgendwo was zu kaufen.“
    Die Glatze-Mutter hat die Loretta angestarrt, als ob sie ein Marsmensch wäre. Aber das Reindl hat sie
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