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Lumpenloretta

Lumpenloretta

Titel: Lumpenloretta
Autoren: Christine Nöstlinger
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genommen.
    „Bitte“, hat die Loretta gesagt, „ich täte die Milch gewärmt brauchen. Wir können sie nicht wärmen, weil der Strom und das Gas bei uns drüben, die sind noch nicht eingeschaltet! Da muss erst wer vom E-Werk kommen.“
    Die Glatze-Mutter ist zum Kühlschrank, hat eine Packung Milch rausgeholt, ein bisschen davon ins Reindl geschüttet und das Reindl auf den Herd gestellt. Und die Loretta ist über das Fensterbrett in die Küche geturnt, hat sich neben Glatze auf die Eckbank gesetzt, auf den Semmelkorb gezeigt und gefragt: „Kann ich, bitte, eine haben?“
    Glatze hat ihr den Korb mit den Semmeln hingeschoben. Und die Butter und die Marillenmarmelade auch.
    „Gibt’s vielleicht auch ein Nutella?“, hat die Loretta gefragt. „Ich steh total auf Nutella.“
    „So etwas haben wir nicht!“, hat die Glatze-Mutter eisig erklärt. „Nutella ist sehr ungesund!“
    Die Loretta hat sich ein Messer gegrapscht, eine Semmel halbiert, dick Butter und noch dicker Marmelade auf die zwei Hälften geschmiert und im Affentempo drauflosgefuttert.
    Die Glatze-Mutter hat das Reindl mit der gewärmten Milch auf den Tisch gestellt und sichelmündig gesagt, dass die Milch leider nicht lange warm bleiben wird.
    Die Loretta hat sich die letzte Semmelhälfte in den Mund gestopft, das Reindl genommen, „Danke schön für die Milch“ gemömelt und ist zum Küchenfenster raus. Wobei allerhand Milch aus dem Reindl gespritzt ist und das Fensterbrett getupft hat.
    Mit einem feuchten Lappen hat sich die Glatze-Mutter über die Milchtupfer hergemacht und gemurmelt: „Das kann ja wohl nicht wahr gewesen sein!“ Dann hat sie das Fenster zugemacht und zu Glatze gesagt: „Ich fahre jetzt in den Supermarkt, und falls dieses Irrsinnskind noch einmal rüberkommen sollte, rührst du dich einfach nicht!“
    Da hat Glatze aber denn doch gefragt: „Und warum nicht?“
    „Wer weiß, was die sonst noch alles will!“, hat die Glatze-Mutter gekeift. „Und es sich einfach ohne zu fragen nimmt!“
    Glatze ist nahe dran gewesen, zu sagen, dass die Loretta sehr wohl gefragt hat, ob sie sich die Semmel nehmen darf. Aber er hat sich beherrscht.
    „Nach dem Supermarkt werde ich beim Gärtner vorbeischauen“, hat die Glatze-Mutter gesagt, „der muss mir erklären, wie ich die Rosen schneiden soll. Wahrscheinlich komme ich erst gegen Mittag zurück.“ Dann hat sie endlich ihren Autoschlüssel genommen und ist abmarschiert.
    Glatze ist in sein Zimmer rauf, hat seine Klamotten inspiziert und überlegt, was er anziehen könnte, um für den Besuch bei den neuen Nachbarn passend eingekleidet zu sein. Klamotten, musst du wissen, interessieren Glatze sonst überhaupt nicht. In seinem Schrank hängt und liegt, was seine Mutter für ihn gekauft hat. Weil es Glatze wie die Pest hasst, auf Einkaufstour zu gehen. Und was Glatze wie die Pest hasst, tut er nicht. Stellt seine Mutter fest, dass er neue Klamotten braucht, sagt er: „Von mir aus geh was kaufen, aber ohne mich!“ Da unterscheidet er sich gewaltig von Locke, Zecke und Zahn, die Klamotten-Einkaufstouren lieben und echte Label-Freaks sind. Denen kommt nichts so leicht auf den Leib, was nicht „voll in“ ist. Und Glatze versteht bloß Bahnhof, wenn sie von Replay und Diesel und Nike und Puma reden. Aber Gefahr, dass sie sich über Glatzes Klamotten lustig machen, besteht nicht. Denn erstens ist die Glatze-Mutter modemäßig spitze, die weiß zumindest so gut wie Zecke, Zahn und Locke, was „voll in“ ist, und sie hat auch kein Problem damit, für Jeans und T-Shirts und Jacken jede Menge Moneten rauszurücken. Und zweitens sind Locke, Zecke und Zahn ja keine Vollkoffer, die sich über No-Name-Lappen lustig machen, sie wollen bloß selber schick in Schale sein.
    Glatze hat im Kleiderschrank nichts gefunden, was ihm passend vorgekommen ist. So ist er in den Keller runter, in den Wirtschaftsraum, und hat sich aus dem Schmutzwäschekorb die Hose und das T-Shirt geholt, die er sich gestern in der Früh mit Kakao total versaut hatte. Und weil er nicht noch einmal in sein Zimmer hinauflatschen hat wollen, hat er sich eine gebrauchte Unterhose aus der Dreckwäsche genommen. Er hat sich die grindigen Klamotten angezogen und ist in den Garten raus. Zum ersten Mal in seinem Leben durch das Küchenfenster. Und dass er rasantes Herzklopfen gehabt hat, darfst du ruhig annehmen! Zu den Ribiseln hin ist er. Von dort kann man, zwischen den Häusern durch, ein paar Meter von der Straße sehen. Auf dem
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