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Luegenbeichte

Luegenbeichte

Titel: Luegenbeichte
Autoren: Beate Doelling
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schwimmen. Sie hatte das Gefühl, wenn sie das Geländer losließ, würde sie rückwärts runterfallen.
    Oben auf der Galerie blieb sie stehen und schaute auf die Sofalandschaft. Was hatte Lou ihr noch über Herrn Rufus erzählt? Ging es in seinem Fall nicht um Kindesentführung, mit deren Lösung sein kluger Roboter-Detektiv, Herr Rufus, Schwierigkeiten hatte, obwohl »die Mücke« ihm half? Aber gab es da nicht noch ein Problem? Was hatte Lou noch erzählt? Hätte siedoch bloß besser zugehört, dann würde sie bestimmt darauf kommen, wo er steckte. Gut möglich, dass er selbst als Detektiv unterwegs war. Fragte sich nur, wo.
    Sie musste etwas tun. Aber was? Ihre Hilflosigkeit machte sie ganz unruhig. Ihr fiel Lous Detektivkoffer ein. Wo war er? Wenn Lou selbst als Detektiv unterwegs war, dann ganz sicher nicht ohne seinen Koffer. Sie musste nachsehen. Sofort! Josis Kopf glühte, sie ging zurück in Lous Zimmer, schaute in jede Ecke, in jede Kiste, auch noch mal in seinen Kleiderschrank. Damals, als Robert das erste Mal verschwunden war, hatten sie auch alles abgesucht, die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt, sogar den Dachboden. Und er hatte die ganze Zeit in seinem Kleiderschrank gesessen, in sich zusammengekauert, und war eingeschlafen.
    Diesmal erschien ihr das Innere des Kleiderschranks wie der Bauch eines riesigen Tiers. Hoffentlich war Lou nicht verschluckt worden. Verschluckt und verschwunden. – Wie kam sie nur auf so einen Schwachsinn?
3:41
    In seinem Zimmer war der Detektivkoffer nicht. Aber es gab noch einen Ort, wo der Koffer sein könnte!
    Sie lief die Treppen runter, durchs Wohnzimmer, raus auf die Terrasse. Es hatte aufgehört zu regnen, es roch nach frischem Gras und Rosen. Es war noch dunkel, aber nicht mehr nachtschwarz, die Luft schimmerte dunkelblau und der Mond blinzelte als Sichel durch eine Wolke. Ein paar Sterne standen am Himmel. Josie ging zu Lous Baumhaus, schnappte sich die Strickleiter, hielt sich anden Sprossen fest und kletterte hoch. Oben gab es ein Versteck im Baum. Er hatte es ihr ganz stolz gezeigt: ein Loch im Stamm für geheime Botschaften. Sie musste schwören, dass sie keinem davon etwas verraten würde.
    Sie war auf der letzten Sprosse, packte einen Ast und hangelte sich auf das Brett. Hier oben hatte sie gestern Nachmittag noch mit ihm gesessen, auf hoher See, und mit ihm die nach totem Fisch und Seetang stinkenden Piraten besiegt. Dann holten sie die Schatzkiste und zählten das Geld. Die Schatzkiste konnte man nicht sehen, weil es eine unsichtbare Schatzkiste war. Sie konnte nur durch ein RFMM-Programm, was allein Herr Rufus beherrschte, sichtbar gemacht werden. Als dieser hoch komplizierte Prozess abgeschlossen war, kamen sie endlich an den Schatz: kleine, zurechtgestutzte Zweige als Goldbarren und kleine Rindenbrocken als Goldmünzen. Sie zählten bis fünfzig und dann bis fünfzig Millionen. Sie packten das Gold in eine Plastiktüte und ließen es im Baumloch verschwinden. Da war es auch noch. Josefine zog die Plastiktüte hervor. Sie war nass, aber die »Goldbarren« darin waren trocken geblieben. Und dann zog sie den kleinen Koffer aus dem Baum, den Detektivkoffer, ein roter Plastikkasten mit aufgeklebten Henkeln. Thomas hatte sie mit Sekundenkleber befestigt und sie hielten immer noch.
4:13
    Josefine nahm den Koffer und ging ins Haus zurück. Dann war Lou also nicht mit Herrn Rufus auf Spurensuche. Was, wenn Lou selbst gekidnappt worden war,genau wie in seiner eigenen Detektivgeschichte? Das konnte doch nicht sein, so etwas gab es doch gar nicht! Nicht hier, bei ihrem Vater, in Zehlendorf! Hier gab es keine fiesen Typen mit Holzbeinen.
    Oben auf der Galerie blieb sie stehen, lauschte. Die Schlafzimmertür stand offen, sie konnte Marina sehen – wie ausgegossen lag sie auf dem Bett in voller Montur, nicht mal ihre Peep-Toes hatte sie ausgezogen. Josefine huschte in ihr Zimmer.
4:17
    »Josi?«
    Sie schob schnell den Detektivkoffer unters Bett. Thomas stand in der Tür.
    »Wo warst du?«
    »Im Garten.«
    »Mach dir nicht zu viele Sorgen«, sagte Thomas mit seiner weichen, leisen Stimme. Auch wenn sie müde klang, so streichelte sie doch. »Geh ins Bett.« Er hatte schon lange nicht mehr mit dieser Streichelstimme zu ihr geredet. Sie saugte sie auf wie ein trockener Schwamm. Sie hätte ihn gern umarmt. Er zwinkerte ihr aufmunternd zu, so, wie er es früher immer getan hatte, um sie aufzumuntern, wenn sie ein Problem hatte. Sie sah, wie schwer es ihm fiel, Zuversicht
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