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Luegenbeichte

Luegenbeichte

Titel: Luegenbeichte
Autoren: Beate Doelling
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Weiber sollen gefälligst die Klappe halten und hübsch aussehen, möglichst jung und leicht bekleidet vor dem Professor hertrippeln.« Das hatte Barbara, ihre Mutter, mal zu Josi gesagt und dieser Satz hatte sich wie ein Zeichen unter ihre Haut gebrannt. Mama war damals sehr verletzt gewesen, als sie herausbekommen hatte, dass sich ihr Mann mit seinen Studentinnen vergnügte. Marina war schließlich nicht die Erste gewesen. Dass Thomas an ihr hängen geblieben war, kam nur, weil sie gleich schwanger wurde und das Kind unbedingt haben wollte. Sie war damals gerade zwei Jahre älter als Josi jetzt, 19. Barbara wollte mit dieser »Tussi hoch zehn« nichts zu tun haben. Und wenn es Lou nicht geben würde, wäre Josefine wahrscheinlich auch nicht so oft bei ihrem Vater. Josi liebte Lou vom ersten Tag an. Niemals würde sie den Augenblick vergessen, als sie ihn ein paar Tage nach der Hausgeburt das erste Mal auf den Arm nehmen durfte. Sie hatte ihnim ersten Jahr bestimmt mehr auf dem Arm gehabt als Marina, die ihn auch nicht stillen wollte, weil sie Angst um ihren Busen hatte.
    All das ging Josefine jetzt durch den Kopf – sie sah Lou vor sich, als er noch ein Baby war, wie er anfing zu krabbeln, wie sie sich die Knie wund gescheuert hatte, weil sie mit ihm auf Knien durchs Haus gerutscht war – er rückwärts, sie vorwärts. Manchmal hatte Lou sogar »Mama« zu ihr gesagt, woraufhin Marina meinte, das sei nur, weil er »Josi« noch nicht aussprechen konnte.
    »Lassen Sie mich noch mal zusammenfassen«, sagte der Polizist und schaute auf seine Notizen. »Gegen dreiundzwanzig Uhr saß der Junge auf dem Sofa und hat einen Film geguckt …«
    » Das Dschungelbuch «, unterbrach ihn Josi.
    »Ist doch scheißegal, welchen Film«, pfiff Marina sie an. »Es ist unglaublich, dass du Lou spätabends vor dem Fernseher parkst, nur damit du in Ruhe rumvögeln kannst.«
    »Marina, es reicht!« Thomas' Ton war scharf wie ein Messer. Er schnitt ihr das Wort ab. Sie verstummte sofort.
    Der Polizist räusperte sich und fuhr fort: »… und gegen Viertel nach eins haben Sie bemerkt, dass er nicht mehr auf dem Sofa war. Sie haben dann im ganzen Haus gesucht, und weil die Terrassentür offen war, sind Sie auch in den Garten gegangen, wo Ihnen auffiel, dass die Gartenpforte offen stand, obwohl sie für den Jungen nicht zu öffnen war. Und dann kamen Sie, Herr Herzberg, und Sie, Frau Herzberg, von einerParty wieder und wurden von der Situation unterrichtet, woraufhin Sie mit der Suche fortfuhren.«
    Thomas nickte.
    »Okay«, sagte die Polizistin und schwang ihren Zopf wieder nach vorn. »Wir brauchen ein aktuelles Foto und werden sofort eine Meldung an alle Streifen geben, um die Gegend abzusuchen. – Könnte er bei irgendwelchen Freunden sein?«
    Thomas zuckte die Schultern. Josi hatte ihren Vater noch nie so hilflos gesehen.
    Die Polizistin zog ihr Handy aus der Hosentasche und telefonierte. Nebenbei fragte sie, ob Max über Nacht bleibe.
    »Nein«, sagte Max sofort. Josi spürte einen Stich im Magen – wie schnell er das gesagt hatte! Er hätte sie ja auch mal fragen können.
    »Ich komme morgen vorbei«, sagte er und flüsterte ihr »Schlaf jetzt« ins Ohr. Als wenn sie jetzt schlafen könnte!
    »Herr Herzberg!« Der Polizist stand schon an der Tür. »Ist das schon mal vorgekommen, dass Ihr Sohn verschwunden ist?«
    »Nein«, sagte Thomas, seine Stimme kaum noch unter Kontrolle. »Der Junge ist gerade mal fünf Jahre alt!«

Hörst du mich nicht? Ich bin hier! Ich bin nicht unterm Bett, ich bin hier!
3:23
    Josi ging als Letzte die Treppe hoch. Thomas hatte zu Marina gesagt, sie solle sich hinlegen, sie würde keinem damit dienen, hier wie ein aufgescheuchtes Huhn herumzulaufen. Marina fuhr ihn an, dass sie kein Huhn wäre! Josi hörte, wie er sie daraufhin anschnauzte, sie solle ihre Klappe halten und ins Bett gehen, denn spätestens um sieben Uhr sei die Nacht vorbei. Die Polizisten wollten sich gegen sieben wieder melden, falls sie Lou bis dahin nicht längst gefunden hätten. Josi wusste, dass »sieben Uhr« für Marina wie eine Drohung klingen musste. Normalerweise stand sie nie vor zwölf auf und dann brauchte sie noch zwei Stunden, um richtig wach zu werden. Thomas brachte Lou morgens in den Kindergarten, bevor er zur Uni fuhr, und auch am Wochenende war er morgens für Lou zuständig, oder Josi, falls sie da war. Josi hielt sich am Geländer fest, zog sich Stufe für Stufe nach oben. Es war, wie gegen eine starke Strömung zu
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