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Luegenbeichte

Luegenbeichte

Titel: Luegenbeichte
Autoren: Beate Doelling
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Dunkeln.
    »Lou!«, rief sie eine Linde hinauf, in der sein Baumhaus war. Es hatte zwar nur ein Brett in einer Verzweigung, das man über eine Strickleiter erreichte, aber für Lou war es sein Detektivstützpunkt oder eine Forscherplattform oder das Deck eines geenterten Piratenschiffes. Aber jetzt saß er nicht dort oben, auch nirgendwo sonst in den Ästen. Der untere Teil der Strickleiter bewegte sich im Wind.
    Josi fühlte sich schwer, als hätte sie sich selbst mit Wasser vollgesogen, sie fing an zu weinen, ging am Komposthaufen vorbei und jetzt sah sie es: Die Holzpforte stand offen. Lou konnte sie nicht allein öffnen. Thomas hatte extra einen Eisenriegel konstruiert, den Lou nicht zur Seite schieben konnte. Sie selbst brauchte dazu schon ihre ganze Kraft. Und niemand würde das Tor offen lassen.
    Gleich dahinter war ein Trampelpfad, der durch Gestrüpp zur Straße führte. Sie ging durch die Pforte. Der Regen hatte jetzt etwas nachgelassen, sie hörte Knacken und Rascheln aus dem Wald und hielt die Luft an. Wahrscheinlich ein Wildschwein. Hier wimmelte es von Wildschweinen. Sie hatten schon alle Nachbargärten durchwühlt, aber ihr Zaun hatte bislang noch jedes Tier abgehalten. Josis Herz raste. Sie wollte auf keinen Fall einem Wildschwein begegnen! Sie lief den Trampelpfad entlang. Die Brennnesseln waren schon wieder gewachsen, seit sie das letzte Mal hier gewesen war, sie waren fast hüfthoch. Kleine Steinchen drückten sich in ihre nackten Füße, aber es tat nicht weh. Als sie denBürgersteig erreichte, sah sie Thomas und Marina unter einem Regenschirm nach Hause kommen. Von Weitem sahen sie immer aus wie zwei Filmstars aus vergangenen Zeiten – er meistens im Anzug, sie immer im Kleid –, aber je näher man kam, desto deutlicher wurde, dass es sich um einen Mann mit einer halb so alten Frau handelte.
    Sie rannte ihnen über den Bürgersteig entgegen.
    Ihr Vater blieb stehen. »Josi?!«
    »Papa! Lou ist weg!« Sie bekam keine Luft mehr. Marina trug ein megakurzes eisblaues Kleid und ihre grauen, superhohen Peep-Toe-Pumps. Mit ihren langen, dünnen Beinen sah sie aus wie ein Storch.
    »Was soll das heißen?«, fragte er.
    »Ich weiß auch nicht, aber Lou ist weg.«
    Thomas guckte an ihr herunter. Erst jetzt wurde ihr richtig bewusst, dass sie klatschnass und außerdem barfuß war. »Und wie siehst du überhaupt aus?« Er selbst sah blass aus, genervt. Wahrscheinlich war der Abend nicht so toll gewesen, sonst wären sie ja nicht schon wieder hier. Er schüttelte Marina ab, sie watete zur Hauswand und stützte sich dort ab. Sie war eindeutig betrunken. Nichts Neues. Trotzdem sah sie gut aus. Sie sah immer gut aus, das war ja das Schlimme. Wahrscheinlich war er genervt, weil Marina so betrunken war.
    »W's iss'n p'ssiert?«, lallte sie.
    Ein Auto fuhr vorbei. Thomas guckte sich um, grüßte. »Lasst uns doch erst mal ins Haus gehen«, brummte er. Josi wusste, dass es ihm peinlich war, wenn Marina so blau war.
1:51
    An der Haustür trafen sie Max. Er war von der anderen Seite gekommen. Marina bekam große Augen. »Oh, wer iss'n dieser charmante junge Mann?«, posaunte sie.
    »Max«, sagte Josi. »Mein Freund.« Er hatte immer noch das Handtuch in der Hand.
    »Ich w'sste ga'nich, d'ss du ein'n neu'n Freund hast.«
    Josi wischte sich den Regen aus dem Gesicht und sah ihren Vater an. »Was sollen wir denn jetzt machen?«
    »Wo iss'n Lou?«, fragte Marina. Ihre Wimperntusche war verschmiert, aber es passte gut zu ihren Smokey Eyes . Josi entging nicht, wie Max' Blick an Marinas Dekolleté hängen blieb. Marina trug Körbchengröße D und füllte die mehr als aus. Wahrscheinlich waren ihre Brüste nicht mal echt. Max wandte zum Glück seinen Blick von ihr ab.
    Josi ließ die Arme fallen. »Ich weiß doch auch nicht. Er ist weg!«
    »Wie, weg?«, fragte Marina. Thomas schob sie ins Haus. Im Flur blieb sie stehen, stand breitbeinig auf ihren Stöckelschuhen und versuchte, nicht zu schwanken. Josi sah, wie sie sich anstrengte, klar zu denken.
    »Mein Sssohn, Lou, weg?« Sie schaute Thomas an wie ein kleines Kind. »Wieso d'ss denn?«
    Thomas nahm Max das Handtuch aus der Hand und gab es Josi. Sie nahm es, hielt sich daran fest.
    Marina spitzte den Mund und flötete: »Lou, Sch'tzchen, komm ma her. Du kleiner Schl'ngel, du!« Dann, als hätte sie erst jetzt begriffen, was los war, schaute sie Josi böse an.
    Bevor sie etwas sagen konnte, fuhr Thomas sie an: »Mach du jetzt bitte keinen Stress!«
    Ihr Vater musste ja
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