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Luegenbeichte

Luegenbeichte

Titel: Luegenbeichte
Autoren: Beate Doelling
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arg genervt sein, wenn er so mit ihr redete. Normalerweise lag er ihr zu Füßen.
    »Ich mach doch kein' Stress!« Marina drehte sich so schnell herum, dass sie umknickte und fast hinfiel. Thomas packte sie am Arm. »Aua!«, rief sie. »Du tust mir weh!«
2:00
    Sie gingen in die Küche und Josi musste alles der Reihe nach erzählen. Thomas holte eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, trank einen großen Schluck, reichte die Flasche an Marina weiter. Die verzog nur den Mund und stützte ihren Kopf auf die Hände. Man konnte sehen, wie schwer er ihr war.
    Josi war gerade an der Stelle angekommen, als sie mit Max in ihr Zimmer gegangen war. Sie sah, wie sich Thomas auf die Lippen biss. Er hatte noch nie einen Freund von ihr näher kennengelernt. Bislang waren alle nur nach Kreuzberg gekommen. Er hatte bestimmt keine Ahnung davon, dass sie schon längst keine Jungfrau mehr war. Wahrscheinlich war das aber sowieso kein Thema zwischen Vater und Tochter. Aber warum kaute er jetzt so verbissen auf seiner Unterlippe herum? Er sagte nichts, sah sie mit kalten Augen an, bis Marina sagte: »Was soll'n der Scheiß hier eigen'lich? Der Kleine iss in mein'm Bett un' schläft.«
    Es war einen Moment still, einen Moment dachte Josi, das wäre die Lösung und alles wäre wieder gut. Sie stand auf und wollte nachsehen, aber Thomas war schneller. Er stürmte die Treppe hoch, lief ins Schlafzimmer, dann rief er runter: »Nein, da ist er nicht!«
    Josi war, als wäre keine Luft zum Atmen mehr da. Max streichelte ihr über den Arm. »Was ich dir noch sagen wollte … als ich zur Toilette war …«, hörte sie seine Stimme, »… da habe ich Lou schon nicht mehr gesehen.«
    »Was soll das heißen?«, fuhr Josi ihn an. »Ich hab dich doch gefragt, ob unten alles okay ist.«
    »War es ja auch. Das Dschungelbuch lief … nur war Lou nicht auf dem Sofa. Ich dachte, er ist vielleicht gerade in der Küche und holt sich noch einen Muffin. Ehrlich, ich habe mir nichts dabei gedacht. Es tut mir so leid!«
    Josi starrte ihn an und konnte nicht mehr denken. Jemand hatte eine Tür in ihrem Gehirn zugemacht.
    »Warum hast du das denn nicht gesagt?«
    »Wann war das?«, fragte Thomas.
    Max zuckte die Schultern.
    »Zwanzig nach elf«, sagte Josi wie aus der Pistole geschossen.
    Thomas guckte auf die Uhr. »Jetzt ist es kurz nach zwei.«
    »Ruf die Bull'n!«, fuhr Marina ihn an. »Na los, mach schon!«

Er ist weg, Mama! Du kannst mich jetzt holen. Mama, wo bist du? Mama!? Mach auf!
2:28
    Als die Polizei kam, war Thomas gerade im Garten. Marina stakste zur Terrassentür und rief nach ihm. Josi machte den Beamten auf. Es waren eine Polizistin und ein Polizist. Josi führte sie ins Wohnzimmer. Thomas kam aus dem Garten. Die Polizisten blieben mitten im Raum stehen und guckten sich um. Die Frau hatte einen dunklen, geflochtenen Zopf, der ihr bis an die Hüfte ging. Ihr Gürtel war mit Handschellen, Funkgerät, Schlagstock, Pfefferspray und Pistole bestückt. Lou hätte an dieser Ausstattung seine wahre Freude gehabt. Josi merkte, dass sie zitterte. In ihr war eine Art Überdruck, der sofort entweichen würde, wenn Lou doch nur auftauchte. Sie hoffte immer noch, dass er jeden Moment hinter einem Sessel hervorspringen würde, lachend, weil er so ein gutes Versteck gefunden hatte. Und sie würde ihn sich dann schnappen, ihn herumwirbeln und sein glucksendes Gesicht küssen. Aber es gab kein Glucksen, Lou blieb verschwunden und sie war schuld! Alles nur, weil sie so scharf auf Max gewesen war! Wie konnte sie Lou nur allein lassen!
    Thomas redete und Marina redete dazwischen. Die Polizistin musste immer wieder nachfragen, ihr Zopf schlängelte sich jetzt über ihre Schulter nach vorn. Marina schien nüchterner geworden zu sein, sie lallte nicht mehr. Der Polizist, ein großer, sportlicher Mann, setzte sich auf das Sofa, legte eine schwarze Klemmmappeauf seine Knie und nahm die Personalien auf. Josi schlang die Arme um sich und lehnte sich an den Mauervorsprung neben dem Kamin und versuchte, das Zittern zu unterdrücken. Ihre Klamotten waren klamm und kalt auf der Haut. Max stand hinter ihr, versuchte andauernd, sie zu berühren und zu beruhigen, und beteuerte immer wieder, dass er wirklich gedacht hätte, Lou hätte sich nur einen Muffin geholt oder sich so auf den Teppich oder in einen Sessel gekuschelt, dass er von oben nicht zu sehen war. Das hatte sie ja auch zuerst gedacht, als sie vorhin die Treppe runtergekommen war. Aber er war gar nicht mehr da gewesen
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