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Lügen in Kriegszeiten

Lügen in Kriegszeiten

Titel: Lügen in Kriegszeiten
Autoren: Arthur Ponsonby
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Alleinschuld, der verbrecherische Kaiser und all die anderen Lügen britischen Ursprungs wurden von amerikanischen Lügnern sehr wirkungsvoll verarbeitet. Das belgische Baby mit den abgehackten Händen stand in besonderer Gunst. Aus dem ganzen großen Erdteil gab es kaum einen Haushalt, in dem es nicht besprochen wurde, und sogar die lächerliche Angst in bezug auf Betonflächen für deutsche Kanonen war in Amerika zu finden. Spionengeschichten gab es in Hülle und Fülle, und jene Leute, die zum Kriege drängten, ließen wirksame Filme herstellen. Ein besonders guter Film trug dem pazifistischen Geiste, der anfangs vorherrschte, Rechnung. Statt den pazifistischen Helden zu verhöhnen, wurde er als ein feiner, edler Charakter geschildert, der sich von der ihn umgebenden Aufregung vorteilhaft abhebt. Der Einfall eines feindlichen Heeres wurde anschaulich und dramatisch vorgeführt. Dörfer wurden in Brand gesteckt, Frauen fortgeschleppt und allerlei Grausamkeiten verübt. Der Vertreter einer ausländischen Macht, von unverkennbar deutschem Aussehen, wurde als ein abscheulicher Schurke, der Böses im Schilde führt, dargestellt. Sein letztes Auftreten, bei dem er in der Galerie des Kongresses mit mephistophelischer Schlauheit die Augen rollt, war besonders eindrucksvoll. Am Schlusse unterliegt der von seinen patriotischen Gefühlen fortgerissene pazifistische Held und stimmt mit Begeisterung für den Krieg.
    Nach dem Eintritt Amerikas in den Krieg wurde eine Anzahl „aktueller Kriegsbilder“-Filme (in Hollywood hergestellt) freigegeben. Ein ungeheures Heer von Rednern und Flugschriftenschreibern wurde von dem Ausschuß für Public Information (Unterrichtung der Öffentlichkeit) angeworben, und das Land wurde mit Literatur über die Missetaten der Hunnen überschwemmt.
    Die Tragödie der Versenkung der Lusitania , die selbstverständlich der Wendepunkt war, wurde aufs äußerste entstellt. Greuelgeschichten und gefälschte Filme beeinflußten besonders die Frauen, so daß, nachdem die Neutralität aufgegeben und „Onkel Sam braucht dich“ an ihre Stelle getreten war, einige Tage genügten, um das ganze Land für den Krieg zu gewinnen. Und als dann Amerika im Kriege war, wurde die ganze Propaganda der alliierten Völker benutzt und weiter übertrieben.
    Unter den aktiven Patrioten zeichnete sich besonders John R. Rathom mit seinen Artikeln im Providence Journal und seinen zahlreichen Vorträgen aus. In den Jahren 1917/18 führte er den Feldzug gegen alle, die deutscher Sympathien verdächtigt werden konnten. Seine Spionengeschichten waren sehr sensationell, und es hieß, daß der britische Geheimdienst sein Einpauker sei. Im Februar 1918 gab er eine Serie von Artikeln, betitelt „Deutschlands Verschwörung aufgedeckt“, heraus, die aber die New York World abbrach, da sie Verdacht hegte und die Artikel für gefälscht hielt. Im Jahre 1920 wurde er von Franklin D. Roosevelt wegen Verbreitung falscher und ehrenrühriger Schmähschriften angeklagt, und im Verlaufe der Untersuchung gab er zu, daß er „reichlich aus seiner Phantasie geschöpft“ habe. Schließlich geriet er völlig in Mißkredit, aber erst nachdem die „Rathomanie“ in der ausschlaggebenden Zeit beträchtlichen Erfolg erzielt hatte.
    Einige hier wenig bekannte Lügen scheinen in Amerika mit großem Erfolg in Umlauf gesetzt und von den Amerikanern verschluckt worden zu sein, wie z. B. die von dem vergifteten Kandiszucker, den deutsche Flugzeuge für Kinder abwarfen; von der Schändung von Nonnen in belgischen Klöstern; von dem Kaplan, dem Ulanen die Ohren abgeschnitten hatten und von der Vergötterung Hindenburgs in der Hymne „Hindenburg ist unser Gott“ (jemand mit spärlichen Kenntnissen der deutschen Sprache oder mit einem schlechten Gehör mag wohl das Lutherlied „Ein’ feste Burg ist unser Gott“ gehört haben). Die Verfolgung von Deutschen und allem, was deutsch war, wurde mit Eifer betrieben; Wagner wurde zu seinen Ungunsten mit Sousa verglichen, die Gefahr des Sauerkrautes wurde hervorgehoben, und Leute rissen den „Rittersporn“, der als eine deutsche Nationalblume galt, aus ihren Gärten aus. Die Raserei, mit welcher die ganze Propaganda in Amerika betrieben wurde, überbot alles, was wir hier erlebten. Da Amerika ein Land der Extreme ist, so muß alles außerordentlich stark gefärbt und scharf betont werden, ehe davon Notiz genommen wird.
    Als im Oktober 1918 einige der Lügen zu widersinnig geworden waren, genehmigten General
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