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Lügen in Kriegszeiten

Lügen in Kriegszeiten

Titel: Lügen in Kriegszeiten
Autoren: Arthur Ponsonby
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seine Sache gerecht und die unbestreitbare Schlechtigkeit des Feindes unzweifelhaft erwiesen ist. Eine kurze Überlegung würde jedem vernünftigen Menschen sagen, daß eine solch offensichtliche Einseitigkeit unmöglich die Wahrheit darstellen kann. Aber diese kurze Überlegung wird nicht gestattet. Mit der größten Geschwindigkeit werden Lügen in Umlauf gesetzt. Die gedankenlose Masse macht sie sich zu eigen, und durch ihre Erregung beeinflußt sie die übrigen. Die Fülle von Unsinn und Schwindel, die in Kriegszeiten in allen Ländern unter dem Namen von Vaterlandsliebe kursiert, treibt anständigen Leuten, wenn sie in der Folge von dem Wahne befreit sind, die Schamröte ins Gesicht.
    Die feierlichen Beteuerungen der Monarchen und leitenden Staatsmänner jeder Nation, daß sie den Krieg nicht wollten, müssen von vornherein gleich bewertet werden mit den Versicherungen solcher Männer, die in ihren Häusern Petroleum ausgießen, obschon sie wissen, daß beständig Streichhölzer angezündet werden und dennoch behaupten, daß sie keinen Brand wollen. Diese Art von Selbsttäuschung, die die Täuschung anderer in sich schließt, ist von Grund aus unehrlich.
    Da der Krieg als eine anerkannte Einrichtung eingeführt ist, zu der die Regierungen im Streitfalle ihre Zuflucht nehmen, so sind die Leute mehr oder weniger darauf vorbereitet. Sie spiegeln sich zur Rechtfertigung ihrer eigenen Handlungen ganz gerne selbst etwas vor. Sie sind bedacht, einen Vorwand zu finden, um ihre Vaterlandsliebe darzutun, oder sie sind geneigt, die durch den Krieg gebotene Gelegenheit zu einem neuen Leben voll Anregung und Abenteuer zu ergreifen. So drückt jeder ein Auge zu, jeder drängt vorwärts, und der Einzelmensch befaßt sich seinerseits mit Lügen als einer patriotischen Pflicht. Bei dem im Kriege vorherrschenden Tiefstand der Moral scheint eine solche Übung beinahe harmlos. Seine Bemühungen sind manchmal plump, aber er tut sein Bestes, dem gegebenen Beispiele zu folgen. Agenten werden mit amtlicher Erlaubnis verwendet und bei sogenannter Propagandaarbeit ermutigt. Der Typ, der sich bei Werbeversammlungen durch das Ausstreuen von Lügen besonders hervortat, ist jetzt gut bekannt. Das Schicksal, das wenigstens einen der volkstümlichsten unter ihnen in diesem Lande erreicht hat, bekundet den tiefen Grad der Erniedrigung, zu dem die öffentliche Meinung in einer Kriegsatmosphäre sinken kann.
    Die verschiedenen Regierungen waren alle zur „Unterrichtung“ ihrer Völker mit Horchposten, Brieföffnungsstellen, Entzifferern, Telephonabhorchern, Spionen, einer Abfangestelle, einer Fälschungsstelle, einer Untersuchungsabteilung für Verbrechen, einer Propagandaabteilung, einem Nachrichtenbüro, einer Zensurstelle, einem Auskunftsministerium, einem Pressebüro usw. ausgestattet.
    Die britische amtliche Propagandaabteilung in Crewe House, unter Lord Northcliffe, war äußerst erfolgreich. Ihre Methoden, besonders das Abwerfen von Millionen von Flugblättern auf das deutsche Heer, überboten alles, was der Feind unternahm. In dem Buche The Secrets of Crewe House 1 (Die Geheimnisse von Crewe House) werden die Methoden zu unserer Genugtuung und Billigung beschrieben. Nur wird die Versicherung, daß nur „wahrheitsgetreue Aussagen“ benutzt wurden, ein wenig zu oft wiederholt, und sie verträgt sich nicht ganz mit der Beschreibung der gefälschten Briefe (Seite 99) und der falschen Titel und Einbände (Seite 104), deren man sich bediente. Aber selbstverständlich wissen wir, daß solch geschickte Propagandisten in ihrem Verfahren mit uns nach dem Ausgang ebenso geschickt sind, wie sie es seinerzeit in ihrem Verfahren mit dem Feinde waren. Wir wissen auch, daß wir mit der scheinbar aufrichtigen Schilderung ihrer Tätigkeit nur einen Teil der Geschichte zu hören bekommen. Leute, die falsche Münze in Umlauf setzen, verstehen sich auf die richtige Mischung sowohl für uns wie für den Feind.
    Die vielen Anerkennungen des Erfolges unserer Propaganda von Seiten deutscher Generale und der deutschen Presse bekunden keineswegs, daß unsere Ausführungen immer streng der Wahrheit entsprachen. Es sei hier ein Auszug aus einem Schreiben (Seite 115) des Generals von Hutier, von der Sechsten Deutschen Armee, angeführt:
     
    Die Methode Northcliffes an der Front besteht darin, eine immer zunehmende Menge von Flugblättern und Flugschriften durch Flieger zu verteilen; die Briefe deutscher Gefangener werden auf die schamloseste Art gefälscht;
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