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Lügen in Kriegszeiten

Lügen in Kriegszeiten

Titel: Lügen in Kriegszeiten
Autoren: Arthur Ponsonby
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ein Verteidigungskrieg gegen einen drohenden, mörderischen Feind zu sein scheinen muß. Über die Frage, wen das Volk hassen muß, darf kein Zweifel bestehen. Der Krieg darf nicht die Folge eines Weltsystems der Führung internationaler Angelegenheiten, noch die Folge der Dummheit und Böswilligkeit aller herrschenden Klassen sein, sondern die Habgier des Feindes muß ihn verschuldet haben. Schuld und Unschuld müssen geographisch geschieden werden, und alle Schuld muß auf der anderen Seite der Grenze liegen. Wenn der Propagandist den Haß der Völker mobilisieren soll, dann muß er trachten, daß alles Verbreitung findet, was die Alleinschuld des Feindes feststellt.
     
    Mr. George Creel war in den Vereinigten Staaten das Seitenstück zu Lord Northcliffe. Sein Büro wurde mit öffentlichen Geldern unterstützt, und in dem Buch, in dem er die erstaunliche Tätigkeit dieser Stelle schildert, gibt er uns einen Begriff von deren Ausmaß, wenn er sagt: „Der Dienst kostete den Steuerzahlern 4 912 553 Dollar und brachte 2 825 670,23 Dollar ein, die zu den Ausgaben zu schlagen sind 21 .
     
     
    D. Italien
     
    Die Propaganda in Italien nahm eine andere Form an. Die Aufgabe der Regierung bestand darin, eine Politik zu formulieren, die Italiens Eintritt in den Krieg rechtfertigte und dem Volke Hoffnung auf bestimmten Gewinn gab. Während also gewisse Schauergeschichten, wie die vom Baby mit den abgehackten Händen, im Lande kreisten, handelte es sich doch weniger um die Entfachung der sittlichen Entrüstung, als vielmehr um die Befriedigung des politischen Ehrgeizes. Die Zukunft Dalmatiens war der Kernpunkt, und um diesen bauten die Regierung und die Presse eine große Lügenpropaganda aus.
    Mazzini hatte einst gesagt: „Istrien gehört uns; Italien braucht es ebenso notwendig, wie die Südslawen die Häfen (porti) Dalmatiens brauchen.“
    Mazzinis Name war von Gewicht, und diese Äußerung wurde in der Zeitung des Baron Sonnino, dem Giornale d’Italia (11. März 1918) folgendermaßen angeführt: „Istrien gehört uns; Italien braucht es ebenso notwendig, wie die Südslawen die Festungen (porti) Dalmatiens brauchen.“
    Als in der Kammer aus die unrichtige Wiedergabe dieser Äußerung hingewiesen wurde, hieß es, es sei „ein Druckfehler“.
    Von Nicolo Tomasso, einem Patrioten dalmatischer Abstammung, der bis zu seinem Tode im Jahre 1873 für einen südslawischen Staatenbund eintrat, wurde auch, ohne einen Schatten von Beweis hierfür, gesagt, daß er für die italienische Annektierung Dalmatiens gewesen sei.
    Eine noch lächerlichere Erfindung war ein in einer Mailänder Zeitung veröffentlichter langer Brief, der angeblich von keinem Geringeren als Abraham Lincoln geschrieben worden war und in welchem der amerikanische Präsident Italien die ganze Ostküste der Adria sowie auch Korsika und Malta zuwies. Mazzini, der beim Lesen dieses Briefes zu Tränen gerührt war, hatte ihn eigenhändig übersetzt, und Carducci und de Amicis hatten ihre Bewunderung über ihn ausgedrückt. Es schien eigentümlich, daß man von einem solch wichtigen Schriftstück nicht schon früher etwas vernommen hatte. Aber unglücklicherweise hatte sich Abraham Lincoln bei der Spezifizierung der verschiedenen, Italien zugedachten Gebiete der Ausdrücke „Venezia Tridentina“ und „Venezia Giulia“ bedient, Bezeichnungen, die im Jahre 1866 zum ersten Male gebraucht wurden und erst im Laufe der folgenden Jahre allmählich allgemeine Anwendung fanden. Der Brief wurde deshalb als eine plumpe Fälschung verworfen 22 .
    Im Jahre 1918 erschien in der Rassegna Italiana ein Artikel, in dem eine lange Reihe berühmter Italiener, von den frühen Römerzeiten aufwärts, angeführt war, die, wie es hieß, alle dafür waren, daß Dalmatien einen Bestandteil Italiens bilden solle. Eine mühsame Durchforschung der Schriften jeder einzelnen der erwähnten Notabilitäten ergab, daß sich alle ohne eine einzige Ausnahme gerade im gegenteiligen Sinne ausgesprochen hatten.
    Gelegentlich einer Versammlung behufs der Einverleibung Dalmatiens wurde vor der Tür ein ehrwürdig aussehender alter Mann mit weißem Barte ausgestellt, der mit tränenüberströmtem Gesicht erzählte, wie er von Dalmatien verfolgt worden war. In Wirklichkeit kam der Mann aus Rom.
    Am 8. Oktober brachte die Stampa von Turin eine angeblich in Lugano von antiitalienischen Jugoslawen erlassene Erklärung folgenden Inhaltes:
     
    Der gegenwärtige Krieg zeigt, daß die kleinen Staaten
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