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Lügen in Kriegszeiten

Lügen in Kriegszeiten

Titel: Lügen in Kriegszeiten
Autoren: Arthur Ponsonby
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die Nachbildung nötigen Maschinen, unter dem Glasdach arbeitete die photo-chemigraphische Abteilung. Ihre Hauptarbeit bestand in der Herstellung von Photographien und im Schnitzen von Holzfiguren mit abgeschnittenen Händen, ausgerissenen Zungen, ausgestochenen Augen, eingedrückten Schädeln und bloßgelegten Hirnen. Die auf diese Art hergestellten Bilder wurden als unwiderlegbare Beweise deutscher Greuel in alle Welt versandt, wo sie nicht verfehlten, die gewünschte Wirkung zu erzielen. In denselben Räumen wurden gefälschte Photographien von beschossenen französischen und belgischen Kirchen, geschändeten Grabstätten und Denkmälern und von Schauplätzen der Zerstörung und Verwüstung fabriziert. Mit der Zusammenstellung und Bemalung dieser Szenen wurden die besten Kulissenmaler der Pariser Oper betraut … Das Pressehaus war der nimmermüde Geiser, der unausgesetzt falsche Kriegsberichte und erfundene Nachrichten von der Front und den Etappen, die niederträchtigsten und gröbsten Verleumdungen der Gegner, die verblüffendsten Erdichtungen ruchloser, ihnen auferlegter Handlungen aussprudelte. Das auf diese Weise ausgestreute, heimtückische aber wirksame Gift hat eine große Menge wohlmeinender aber unwissender Leute irregeführt und infiziert … Während des Krieges wurde die Lüge eine patriotische Tugend. Sie wurde uns von der Regierung und der Zensur aufgezwungen und in Anbetracht der Gefahr, daß wir den Krieg verlieren könnten, als eine Notwendigkeit erachtet; zudem war das Lügen einträglich und wurde oft öffentlich geehrt. Es wäre nutzlos, den Erfolg der Lüge, die die Presse als das schnellste und beste Verbreitungsmittel benutzte, zu leugnen. Die größten Anstrengungen wurden gemacht, jedes Wort der Feinde als Lüge und jede unserer Lügen als reine Wahrheit zu stempeln. Alles segelte unter der Flagge der „Propaganda“.
     
    Die Erziehung der Kinder wurde auch nicht vernachlässigt. In Le Matin vom 12. November 1915 war ein Paragraph, überschrieben: „An die Lehrer“.
     
    Alle französischen Schulen müssen eine Sammlung der Karten von den „deutschen Verbrechen“ besitzen, um den Kindern für immer die Greueltaten der Barbaren einzuprägen. Es hieß dann weiter, ein Künstler von Ruf habe ein Dutzend Bilder zusammengestellt, die sich auf die „empörendsten Episoden unter den deutschen Verbrechen“ beziehen … „Lehrer, abonniert heute noch und hängt diese Bilder in Euren Schulen auf“.
     
    Presseentstellungen waren in Frankreich ebenso allgemein wie in anderen Ländern. Bereits am 25. Juli 1914 ließ M. Berthelot, M. Poincarés ständiger Chef des Auswärtigen Amtes, im Echo de Paris und im Matin einen stark entstellten Bericht über die friedlichen Unterredungen zwischen Bienvenu Martin und Baron von Schoen veröffentlichen. Die öffentliche Meinung in Frankreich kann von der Regierung und der Presse viel leichter mit fortgerissen werden als in diesem Lande. Es bedurfte daher weniger Spitzfindigkeit, und es bestand eine bessere Möglichkeit für Verheimlichungen und wenig Gefahr, daß die gröbste Lüge nicht Glauben finden würde, vorausgesetzt, daß sie irgendeinen obrigkeitlichen Stempel trug. Außerdem herrscht in Frankreich geringere Neigung, die Geschichten und Erklärungen, mit denen das Volk getäuscht wurde, zu prüfen und jetzt, da alles vorbei ist, ihre Falschheit ans Licht zu ziehen. Trotzdem hat kein Volk von der blödsinnigen Nutzlosigkeit des Krieges und dessen sinnloser Grausamkeit eine vernünftigere Vorstellung, als das gemeine französische Volk.

     
    C. Die Vereinigten Staaten
     
    In den ersten Kriegsjahren gab es für die Propaganda kein besseres Feld als die Vereinigten Staaten. Die Verbandsmächte und die Mittelmächte machten sich dort starke Konkurrenz. Die deutsche Methode war anfangs zu fein. Eine drahtlose Nachrichtenagentur übermittelte die besten, glaubwürdigsten, unparteiischsten und bei weitem billigsten Nachrichten. Sie gewann daher viele Abonnenten und versah auch die Presse mit Nachrichten. Im Verlauf der Monate wurden ihre Nachrichten mit großer Geschicklichkeit zugunsten der Mittelmächte „gebogen“. Aber die Deutschen befaßten sich zu sehr mit Auseinandersetzungen. Die gröbere britische Methode war viel erfolgreicher, und die Britische Kriegsmission, die (wie Lord Northcliffe in den Times vom 16. November 1917 darlegte) 500 Beamte und 10 000 Gehilfen zählte, leistete intensive Arbeit. Greuelgeschichten, Deutschlands
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