Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lügen haben rote Haare

Lügen haben rote Haare

Titel: Lügen haben rote Haare
Autoren: Anne-Marie Käfer
Vom Netzwerk:
v’reckt!«
    Ich habe nicht sehr viel Ahnung vom Innenleben eines Automotors, hier erkenne ich aber blitzschnell, dass er in der Tat verreckt ist und keine Kraft mehr zur Weiterfahrt aufbringen wird. Noch bevor Toni sich aus dem Wagen gequält hat, laufe ich Richtung Hirschalpe. Toni schreit mir hinterher, dass ich den Weg gar nicht verfehlen könne. Die Aufregung ist für den älteren Mann zu viel! Als ich mich noch einmal umdrehe, sitzt er neben dem kaputten Bus auf dem Boden und wischt sich mit einem Taschentuch die Stirn.
    Meine Füße rutschen in den Schuhen hin und her, die dünnen Socken bieten keinen rechten Halt. Ich merke, dass sich die fröhlichen Prinzessinnenpflaster verabschieden; die Erwachsenenpflaster lassen mich ebenfalls im Stich.
    Auf der Hirschalpe ist es ganz ruhig. Auf der Terrasse sitzt lediglich ein alter Alm-Öhi mit langem Rauschebart, der an einem Stück Speck knabbert. Er beantwortet meine Frage, wo lang es zum Windsack geht, nicht mit Worten, sondern mit seinem Zeigefinger.
    Endspurt! In der Ferne entdecke ich zwei Männer, die mit einem Paragleiter hantieren, der sich bereits aufgebläht am Boden im seichten Wind entfaltet. Ich krame in meiner Shorts nach einem Papiertaschentuch und wedele damit heftig in der Luft herum. Gleichzeitig schreie ich aus Leibeskräften. »Nicht starten! Niiiicht! Der Schirm ist kapuuutt! Der hat ein Looooch!«
    Paul muss jetzt mindestens genauso aufgeregt sein wie ich, denn er kommt mir mit großen Schritten entgegengelaufen.
    Erschöpft stolpere ich in seine Arme.
    »Ich habe kein Wort verstanden! Was ist passiert, um Himmels willen … Was machst du hier?«
    Mein Mund ist so trocken, dass ich kaum sprechen kann; jetzt ist auch Bert da.
    »Mein Gott … Die Zwillinge haben damals, als sie die Wand im Hobbyraum bemalt haben, an dem Paragleiter herumgeschnippelt … ein Loch reingeschnitten. Sie haben es vorhin erzählt. Sie dachten, der Gleitschirm wäre ein Rucksack. Nanni hat gepopelt, ich dachte, ich dachte, du, ihr wärt …«
    Tränen der Erleichterung kullern über meine Wangen. Bert nimmt den Helm ab und kratzt sich am Kopf. Er scheint nichts von dem zu verstehen, was ich hervorgebracht habe. Paul hält mich auf Armeslänge und schüttelt mich sanft.
    »Beruhige dich, Karo, bitte, der Schirm ist neu! Den alten habe ich entsorgt. Mir ist nicht entgangen, dass die Zwillinge mit einer Schere daran herumgeschnitten haben. Ich wollte sie nicht verpetzen! Mir war klar, dass sie einen Scherz machen wollten und nicht wussten, was sie angerichtet haben.«
    Ich schnäuze kräftig die Nase. »Jetzt wissen sie, dass der Schabernack keiner war. Ich glaube, sie werden nie mehr in irgendwelche Sachen Löcher schneiden.«
    Bert will wissen, wie ich denn überhaupt so schnell hergekommen sei.
    Nach Schilderung der Umstände macht er sich sofort auf den Weg, um Toni Schützenhilfe zu leisten. Er drückt mir seinen Helm und die Paragliding-Brille in die Hand.
    »Hier, ohne Helm solltest du nicht fliegen!« Dann sprintet er los.
    Paul nimmt mir die Utensilien ab, streicht meine Haare hinter die Ohren, um mir danach die Brille und anschließend den Helm aufzusetzen. Mit sanftem Druck schiebt er mich die wenigen Meter bis zu dem Teufelsgleiter.
    »Weißt du, wenn wir erst mal oben sind …«
    Ich zerre an dem Helm; meine Finger zittern so, dass ich den Klippverschluss nicht lösen kann.
    »Im Leben nicht, nein Paul, im Leben lasse ich mich nicht an dieses Teil schnallen! Ich bin doch nicht bescheuert!«
    »Du kannst das, Möhrchen, du wirst das prima machen … Denk immer an den Breitenberg. Den hast du mit links genommen.«
    »Jahahaa, aber nur mit den Wunderpillen!«
    Paul kramt in seinem Overall. »Hier, bis du eingeklinkt bist, wirken sie.«
    Ich schlucke drei der Pillen auf einmal.
    »Stell deine Füße in die Gurte.«
    »Paul, ich kann das nicht!«
    »Was glaubst du, wie Conny staunen wird, wenn du dich auf dieses Abenteuer einlässt. Ich sehe sie vor mir, wie sie die Augen ungläubig aufreißt. Kannst du sie auch sehen?«
    Die Dragees wirken schneller als gedacht. Ich sehe tatsächlich meine Schwester mit hängender Kinnlade vor mir. Zaghaft stelle ich erst das rechte, dann das linke Bein in die Nylon-Gurte und lache nervös. »Ja, sie wird vor Neid erblassen. Paul?«
    »Ja?«
    »Ich liebe dich. Ich liebe dich von ganzem Herzen, und ich glaube dir, dass mit Vivi nichts war.«
    Paul dreht meinen Kopf soweit es geht und drückt mir einen Schmatzer auf die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher