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Lügen haben rote Haare

Lügen haben rote Haare

Titel: Lügen haben rote Haare
Autoren: Anne-Marie Käfer
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Allerdings, einige tödliche Unfälle hat es in dieser Region schon gegeben! Danach habe ich sie ständig auf dem Handy angerufen, um mich zu vergewissern, ob alles in Ordnung ist. Seitdem schalten sie die Mobilteile aus, die Fürsorge der Mutter wurde ihnen wohl zu viel.«
    Nanni stößt Hanni an. Die Kinder blicken sich mit großen Augen an. »Und was ist, wenn ein Loch in dem Stoff ist?«
    »Himmel! Kind! Das wäre fatal!« Vroni faltet automatisch die Hände und schickt einen Blick zur Zimmerdecke. »Wie ein Stein könnten sie vom Himmel purzeln, wie ein Stein. Daran wollen wir mal gar nicht denken!«
    Nannis Finger verschwindet im rechten Nasenloch. Ich stutze. Vroni greift sachte Nannis Hand, zieht den Finger aus der Stubsnase, fährt kurz mit einem Taschentuch drüber und führt ihn wieder zu dem Gebinde auf dem Tisch. Dann schlägt sie vor, noch weitere bunte Blumen zu besorgen. Geschäftig läuft sie los. Wieder verschwindet der Finger in dem sommersprossigen Näschen.
    Als Hanni aufspringt, nach draußen Richtung Wald rennt und Nanni, samt Finger im Nasenloch, hinterhersprintet, beschleicht mich eine fürchterliche Ahnung. Ungeachtet meiner wunden Füße, rase ich hinter ihnen her. Kurz vor dem Wäldchen kriege ich Nanni zu fassen.
    »Sag mir auf der Stelle, warum du popelst! Sofort!«
    Nanni kneift die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Sie schweigt wie ein Grab und versucht, mit zappelnden Bewegungen meinem Griff zu entkommen. Hanni ruft, hinter einem Baum versteckt: »Wir haben damals im Haus von Paul mit einer Schere den Rucksack zerschnitten. Wir wollten, dass die Sachen herauspurzeln, wenn er wandern geht. Das war Nannis lustige Idee!« Jetzt fängt sie an zu heulen.
    Nanni kreischt, als würde sie wie ein lebendiges Spanferkel am Spieß über dem Feuer hängen. »Stimmt gar nicht! Du hattest die Idee, nicht ich!«
    Hanni jammert. »Ich will nicht, dass Paul wie ein Stein vom Himmel fällt, dann ist er doch tot.«
    Mir wird speiübel. Mit aller mir zur Verfügung stehenden Strenge befehle ich den Kindern, die Klappe zu halten. »Hört mir jetzt ganz genau zu. Ganz genau! Ihr geht in die Küche, bastelt weiter an dem Geschenk für Papa. Wenn ihr einer gewaltigen Strafe entgehen wollt … kein Wort zu Vroni, kein Wort zu Mama, Oma, Opa, Opa Heini, Gundula oder sonst wem. Klar?«
    Die Kinder schluchzen. »Ja, wir sagen kein Wort.«
    Ich mache auf dem Absatz kehrt, eile in die Küche und schnappe mir die Bergschuhe aus der Abstellkammer. Dann renne ich in den Stall, in dem ich aufgeregt nach dem Kaufmanns-Toni rufe, der auch prompt erscheint. Mit wenigen Worten erkläre ich ihm die Situation, warum ich ihn als Chauffeur bräuchte.
    Mit einem »Sau-blagn-gscherte Sau-blagn« nimmt er mich an die Hand, zerrt mich hinter sich her, stößt mich förmlich in den Bus. Ich bin froh, dass meine Füße im Auto sind, als er die Tür kraftvoll hinter mir zuschlägt. Ich tausche die Sandalen gegen die derben Lederschuhe und schnüre sie, so feste ich kann, zu.
    Während er Richtung Tal das Gaspedal durchdrückt, treibe ich ihn an, als würde ich auf dem Kutschbock einer Droschke sitzen. Zwischendurch versuche ich, Paul auf dem Handy zu erreichen, vergeblich. Ich mache mir bittere Vorwürfe! Hätte ich ihm doch gestern Abend noch gesagt, wie sehr ich ihn liebe, und dass ich ihm glauben würde. Stattdessen habe ich mich hängen lassen und bin eingeschlafen. Mir fällt der Leitspruch meiner Eltern ein. Man sollte nie ins Bett gehen und einschlafen, ohne sich vorher versöhnt zu haben.
    Toni fährt in rasendem Tempo den Weg zu der Stelle, den er vor anderthalb Stunden bereits mit Paul und Bert gefahren ist, um sie am Parkplatz Richtung Spieser abzusetzen. Ein Schlagbaum verhindert die Weiterfahrt mit dem Auto. Toni legt den Rückwärtsgang ein; der VW-Bus nimmt Anlauf, röhrt wie ein liebestoller Hirsch und sprintet nach vorn. Mit einem lauten Krachen zerbirst der rot-weiß gestreifte Balken; der alte Wagen knattert zügig, aber keuchend die erste Etappe des serpentinenartigen Wirtschaftsweges hinauf. Endlose Minuten vergehen. Endlich erklärt Toni, dass wir nach wenigen Kurven die Zufahrt zur Hirschalpe erreichen werden, von dort aus sei es nicht mehr weit bis zum Startplatz, dem Windsack.
    Die Katastrophe ist perfekt, als ich im Außenspiegel entdecke, dass aus dem Motorraum dicke Qualmwolken entweichen. Das Fahrzeug wird immer langsamer und bleibt nach wenigen Metern stehen.
    Toni schimpft. »Jetzt is er
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