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Lügen haben rote Haare

Lügen haben rote Haare

Titel: Lügen haben rote Haare
Autoren: Anne-Marie Käfer
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momentan größer, als die meiner verlorenen Liebe, wofür ich dem Pochen sehr dankbar bin. Mir ist übel. Das ist ein schlechtes Zeichen. Ein gutes Zeichen ist, dass ich mich an meinen Namen erinnere, Karolina van Goch heiße und 34 Jahre alt bin. Ebenfalls weiß ich, dass ich bei ›Nikolaus Geigers Jummy-Gum‹ als zweite Chefsekretärin für den besten Kaugummi der Welt tätig bin und Roger gestern in flagranti erwischt habe. Das sollte fürs Erste reichen.
    Ich registriere, dass ich den Wecker falsch gestellt habe. Es ist 8:30 Uhr, Frau Piefke wird meckern. Bevor ich mir im Spiegel begegne, setze ich eine Sonnenbrille mit riesigen Gläsern auf die Nase. Ich reiße mich zusammen und beherzige den Spruch meines Großvaters: »Wer saufen kann, kann auch arbeiten. « Denn ich bin eine echte van Goch und hart im Nehmen. Ich bürste meine schulterlangen roten Haare, schlinge sie zu einem Knoten in den Nacken und putze, wegen des fiesen Geschmacks im Mund, dreimal Zunge und Zähne. Für ein Make-up bleibt keine Zeit, ein wenig Lipgloss, das muss reichen. In Windeseile würge ich einen Zwieback hinunter, schlüpfe in Unterwäsche, sowie das erstbeste Kleid, welches mir in die Finger kommt. Fertig. Mit einer großen Flasche Apfelschorle unter dem Arm mache ich mich auf den Weg zum Parkplatz, dabei knicke ich mit meinen Hochhackigen zigmal um.
    Während der kurzen Fahrt ins Büro stopfe ich mir eine Handvoll ›Jummy-Gum-super-fresh‹ in den Mund und sauge die werbestrategische Frische aus der weißen Kaumasse.
    Bruni, meine a) Freundin und b) Arbeitskollegin, empfängt mich mit stummen Botschaften, die sie durch Tourette-artige Mimik Richtung Gundula Piefkes Büro andeutet, das zu unserem Leidwesen vollverglast ist.
    Die knöcherne Sekretärin und rechte Hand unseres Chefs Nikolaus Geiger stürmt, sobald sie mein Erscheinen bemerkt hat, aus ihrem ›Glashaus‹.
    »Frau van Goch«, tadelt sie streng. Ihre Augen funkeln mich feindlich durch ihre dicken Brillengläser an. »Sie glauben wohl, dass Sie sich hier alles erlauben können, was? Herr Geiger hat bereits mehrfach nach Ihnen gefragt …«
    Ungeniert unterbreche ich sie. »Ich habe Ihnen doch gestern Nachmittag erklärt, dass ich heute etwas später komme«, schwindele ich und hebe für eine Sekunde meine Sonnenbrille. »Ich musste zum Arzt, Bindehautentzündung dritten Grades«, flunkere ich weiter.
    Bruni verfolgt grinsend unsere kleine Diskussion, indem ihre Augen wie beim Schauen eines Ping-Pong-Spiels zwischen Gundula und mir hin- und herwandern.
    Frau Piefke ist vollkommen verunsichert, denn sie ist für ihre Zerstreutheit bekannt. Nach kurzem Nachdenken schlägt sie sich mit der flachen Hand so feste vor die Stirn, dass es klatscht.
    »Ach ja, jetzt wo Sie es sagen, Frau van Goch! Ich erinnere mich, entschuldigen Sie bitte.«
    Auf halbem Weg zu Geigers Büro dreht sie sich noch einmal zu mir um. »Sagen Sie mal …, sagt man 3. Grades nicht nur in Verbindung mit Brandwunden?«
    Bruni übernimmt das Antworten. »Quatsch, Frau Piefke, das war früher mal so! Heute sagt man zu jeder Krankheit, die schlimm ist, 3. Grades. Die Erkältung, die ich neulich hatte, die war auch 3. Grades.«
    Ich sehe der Piefke an, dass sie uns nicht glaubt, das ist mir im Augenblick jedoch mehr als egal. Sie lächelt mich süffisant an.
    »Sie können später bei Herrn Geiger anklopfen, ich gehe jetzt zu ihm rein.« Dann verschwindet sie in Nikolaus Büro.
    Bruni setzt sich auf den Schreibtisch und lacht. »Macht doch immer wieder Spaß, das alte Mädchen auf den Arm zu nehmen. Mensch, du hast Nerven, Karo. Ich wette, ihr habt die ganze Nacht geamselt und deswegen verpennt.«
    Ich lüfte erneut meine Brille. »Sag mal, spinnst du? Meinst du, ich sehe so nach einer durchgeamselten Nacht aus?«
    Bruni steht auf und kommt langsam auf mich zu. »Du hast geheult? Was ist passiert?«
    Im Schutz der dunklen Brillengläser füllen sich meine Augen mit Tränen, ich schaffe es, sie wegzublinzeln.
    Bruni drückt mir vorsorglich ein Taschentuch in die Hand.
    »Ihr habt gestritten?« Sie tätschelt mütterlich meine Wange.
    »Ach Bruni, von wegen Streit! Viel schlimmer! Ich fuhr gestern nach Büroschluss an Rogers Wohnung vorbei. Eigentlich waren wir erst um 20 Uhr verabredet. Du weißt ja, wir wollten uns einen gemütlichen Abend machen und seinen 40. Geburtstag feiern. Dann habe ich gesehen, dass sein Auto in der halb offenen Garage steht, und wollte ihn überraschen.« Ich schnäuze
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