Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Luegen haben huebsche Beine

Luegen haben huebsche Beine

Titel: Luegen haben huebsche Beine
Autoren: Nell Dixon
Vom Netzwerk:
küsste sie auf die Wange. Wir hatten Kip daheimgelassen, da es für ihn ein Ding der Unmöglichkeit war, zwei Tage hintereinander einem Gottesdienst beizuwohnen, und wir hielten es für wichtiger, dass er der Totenmesse beiwohnte. Philippe, Charlie und ich betraten gemeinsam die Kirche, hocherhobenen Hauptes.
    Bella saß bereits mit Maria auf ihrem angestammten Platz. Als Philippe sich neben Charlie setzte und nicht wie sonst neben seine Mutter, drehte das kleine Mädchen sich um und winkte uns sachte zu. Bella blieb regungslos sitzen, sah uns nicht an und hatte ihren Blick scheinbar starr auf den Altar gerichtet. Es sah nicht so aus, als würde sie in absehbarer Zeit mürbe werden.
    Das Leitthema des Gottesdienstes war Vergebung. Ich nahm schon seit längerer Zeit an, dass Pater O’Mara einen Sinn für beißenden, trockenen Humor hatte. Ich bin mir sicher, dass es kein Zufall war, dass er mit seinem milden Lächeln immer und immer wieder Bella bedachte.
    Am Ende des Gottesdienstes wies er auf Mums Totenmesse hin und fügte hinzu, dass er hoffe, möglichst viele Mitglieder seiner Gemeinde würden versuchen, der Messe beizuwohnen, um uns in dieser schwierigen Zeit zur Seite zu stehen. Wir hatten noch immer nicht vom Gerichtsmedizinischen Institut gehört, wann Mums Leiche für die Beisetzung freigegeben würde, sodass uns die Totenmesse zumindest eine Art von Möglichkeit gab, mit dem Ganzen abzuschließen.
    Bella verließ die Kirche, ohne irgendeinen von uns auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen. Es machte nicht den Eindruck, als seien die Anspielungen, die Pater O’Mara während seiner Predigt gemacht hatte, bei ihr auf fruchtbaren Boden gefallen. Einige Leute murmelten uns beileidsbekundende Worte zu, als wir nach draußen gingen. Philippe begleitete uns zum Kirchtor. Im Licht des Tages sah es anders aus, wunderschön und friedlich.
    »Ich werde noch einmal mit Mama reden«, versicherte Philippe Charlie. »Sie vergisst leicht, dass ihr eigener Papa auch nicht gerade eine Stütze der Gesellschaft war.«
    Ich erinnerte mich, was Charlie mir vor Urzeiten darüber erzählt hatte, wo das Geld und die Juwelen herkamen, die in Bellas Safe lagerten. Vielleicht hatte Philippe den Nagel auf den Kopf getroffen. Wenn Bellas Vater kein Engel gewesen war, konnte sie schwerlich Charlie zum Vorwurf machen, dass die sich ähnlich benommen hatte. Wie Philippes Großvater hatte Charlie einfach nur getan, was sie konnte, um ihre Familie zu versorgen.
    Als wir zu den Gräbern hinüberblickten, konnten wir das helle Klebeband sehen, mit dem der Tatort markiert war. Mir wurde übel, als ich sah, wie unpassend und sachlich es sich von dem grauen Gestein abhob. Charlie und ich waren in jener Nacht nur knapp dem Schicksal entronnen, ebenso tot zu enden wie unsere Mutter. Ein Schauder durchfuhr meinen Körper, als ich mich daran erinnerte, wie Freddie lang ausgestreckt auf dem nassen Rasen gelegen hatte. Wir konnten uns glücklich preisen, noch am Leben zu sein.
    Philippe gab Charlie einen Abschiedskuss und machte sich dann auf, seine Mutter und seine Schwester nach Hause zu bringen.
    »Ich bin so froh, dass ihr beide wieder zusammen seid.« Ich hakte mich bei Charlie ein, und wir machten uns auf den langen Fußweg zu unserem Haus. Wir hatten noch keine Gelegenheit gehabt, einen Ersatz für unseren armen explodierten VW zu suchen. Zu unserem Glück war es ein trockener Tag, und manchmal kam die Sonne auch mal kurz durch die flockigen Wolken, die über den Himmel jagten. Die Blätter der großen Bäume, die den Bürgersteig säumten, fingen an, sich goldgelb zu färben, und der Duft des Herbstes lag in der Luft.
    »Danke. Ich wünschte, es hätte mit dir und Mike auch geklappt.« Sie sah mich an.
    Ich wünschte mir ebenfalls, dass es mit uns geklappt hätte. Es tat immer noch weh, wenn ich an ihn dachte, wie eine körperlich erlittene Wunde. Ich fühlte mich emotional ausgelaugt nach allem, was ich durchgemacht hatte. Da ich nichts gehört hatte, konnte er schon wieder in London sein.
    Wir bogen von der Hauptstraße ab und in die kleine Seitenstraße ein, in der ich die Dahlien gestohlen hatte. Ich verspürte einen plötzlichen Schmerz, als ich den nackten Flecken Erde inmitten der Blumenpracht sah. Hinter uns ertönte eine Autohupe, und wie drehten beide gleichzeitig die Köpfe, um zu sehen, wer das war.
    »Kann ich euch mitnehmen?« Mikes Wagen fuhr langsamer, bis er nur noch neben uns herrollte. Das Dach war unten, und er lenkte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher