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Luegen haben huebsche Beine

Luegen haben huebsche Beine

Titel: Luegen haben huebsche Beine
Autoren: Nell Dixon
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Mittelgroß, durchschnittlich gebaut, normales Gewicht, Haarfarbe irgendwo zwischen blond und braun – absolut keine Qualitäten, mit denen ich aus der Masse hervorstechen könnte oder auf dem Polizeirevier bei einer Gegenüberstellung zwecks Identifizierung. Ich war die unsichtbare Frau.
    Für diesen speziellen Job musste ich die Rolle von Charlies persönlicher Assistentin spielen. Sie selbst hatte sich als Lady Charlotte Bloom ausgegeben, was im Grunde ein Witz war, denn obwohl Charlie eine Menge sein mochte, so war sie doch gewiss keine Lady. Zu unserem Glück war die richtige Lady Charlotte auf einer Safari in Afrika, und so sollte es die nächsten drei Wochen auch noch bleiben.
    »Zeig Freddie das Portfolio mit den Schloss-Unterlagen, Abigail.«
    Ich fingerte nach der blauen Aktenmappe, die alle Einzelheiten über Schloss Manytown enthielt, und versuchte dabei, den Eindruck einer tüchtigen persönlichen Assistentin zu erwecken.
    Freddie Davis hatte es aus eigener Kraft zum Millionär gebracht und suchte gerade nach einem Anwesen, das er zu seinem Landsitz ausgestalten konnte. Es gab viele Gerüchte darüber, wie er sein Vermögen gemacht hatte, und keines schmeichelte seinem Charakter. Er war bekannt dafür, sich auf fragwürdige Geschäfte einzulassen, und so waren wir uns ziemlich sicher, dass er sich über Ethik und Moral des vermeintlichen Verkaufs keine Gedanken machen würde. Die Vorstellung, das Finanzamt übers Ohr zu hauen, war viel reizvoller.
    Er mochte Charlie wegen ihres Aussehens und wegen ihrer angeblichen Herkunft, da er darauf aus war, gesellschaftlich aufzusteigen. Als übergewichtiger Mann in den Spätfünfzigern mit rundem, immerzu gerötetem Gesicht konnte er sein Glück kaum fassen, jemanden wie Charlie gefunden zu haben. Das streichelte sein Ego, das die Größe eines Planeten hatte; es geschah ihm nur recht, wenn wir ihm sein Geld aus der Tasche zogen. Er war das perfekte Opfer.
    Sobald Charlie eine saftige »Anzahlung« auf das Schloss abgezockt hatte, würden wir uns mit dem Geld auf und davon machen, und Freddie war Vergangenheit. Ich denke mal, dass es eine Art von Vergeltung war – wir taten Freddie an, was er zuvor so vielen anderen Menschen angetan hatte.
    »Mein Großonkel Edward ist bestrebt, das als einen Privatverkauf abzuwickeln, deshalb bedurfte es ziemlicher Überredungskunst, bis er mir erlaubte, dir das hier zu zeigen. Es wäre einfach zu schrecklich, wenn ein solch wertvoller Familiensitz in die verkehrten Hände geriete.« Charlie nippte an ihrem Drink und schlug ihre langen, wohlgeformten Beine übereinander.
    »Äh, hmmm … durchaus.« Freddie riss sich von Charlies Beinen los und schenkte seine Aufmerksamkeit wieder der Aktenmappe, die alle Einzelheiten über das Schloss enthielt. Ich betete, er möge mir nur ja keine direkten Fragen stellen, da ich nicht wusste, ob ich es wieder tun würde.
    Ob ich wieder die Wahrheit sagen würde, meine ich.
    Nicht, dass ich normalerweise Probleme damit gehabt hätte zu lügen. Himmel, nein; ich log von Berufs wegen, damit hatte ich Karriere gemacht. Trotzdem hatten Charlie und ich ein paar moralische Grundsätze – wir nahmen niemals jemandem Geld ab, der sich das nicht leisten konnte, und wir taten niemals etwas, das anderen körperlichen Schaden zufügte. Wir waren also ausgesprochen anständige Verbrecher.
    Wir wären auch überhaupt nicht in dieser Branche tätig, wenn Kip nicht wäre. Er ist unser kleiner Bruder, und er ist … Wie soll ich es ausdrücken … Er ist ein wenig anders als andere Menschen. Er hat diesen Traum, auf einem Bauernhof zu leben, ganz weit draußen auf dem Land, weit weg von der Stadt und all der Hektik, die ihn so verwirrt und aus der Fassung bringt. Das Leben in der Stadt macht ihn krank. Im Moment geht er nie aus dem Haus, trifft sich niemals mit jemandem, und je länger wir in London bleiben, desto schlimmer wird es mit ihm.
    Seit Kip ein Baby war, hat es nur uns drei gegeben. Unsere Mutter ist weggegangen – verschwunden –, als ich noch klein war. Wir hatten keine Chance, Kip zu helfen oder auf »normalem« Weg dem Stadtleben zu entfliehen. Mit Bürojobs verdient man einfach nicht die Art von Geld, die wir benötigen. Damit hatten wir es in der Vergangenheit versucht und waren gescheitert.
    »Ich würde gern hinausfahren und mir das Anwesen ansehen«, sagte Freddie und sah mich dabei mit seinen habgierigen Schweinsaugen an.
    »Selbstverständlich. Großonkel Edward ist derzeit nicht da,
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