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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch
Autoren: Francine Prosse
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Lula.
    »Ist es doch«, sagte Guri. »Es ist das Haus der Toten.«
    Genti sagte: »Halt die Klappe, Idiot. Dein Zeug zu transportieren, ist das Mindeste, was wir tun können. Ich nehme dich und die Sachen im SUV mit. Guri fährt uns nach.«
    Lula führte die Jungs in ihr Zimmer und versuchte dabei nicht an die Nacht zu denken, in der sie Alvo mitgebracht hatte. Er hatte freie Auswahl bei den albanischen Mädchen. Seine Mama war eine Superköchin. Die beiden Männer packten sich die Koffer und Kartons. Sie würden alles auf einmal runtertragen können. Lula nahm ihren neuen Computer. Sollte sie etwas vergessen haben, konnte sie es später holen. Sie hatte es ernst gemeint, mit Zeke in Verbindung bleiben zu wollen.
    Da die beiden Jungs draußen warteten, blieb ihr keine Zeit, sentimental zu werden. Lula ging durchs Haus, sah sich noch einmal prüfend um nach … wonach eigentlich? Immer wenn ihr diese Szene in den Sinn gekommen war, hatte sie sich vorgenommen, Großmutters Krug zurückzufordern, den sie Mister Stanley zum vorletzten Weihnachtsfest geschenkt hatte. Doch das konnte sie nicht tun. Nicht, dass Mister Stanley es bemerken würde. Aber es würde ihr falsch vorkommen.
    Sie verabschiedete sich von dem Krug, als Großmutters Geist sie auf etwas auf dem Küchentresen aufmerksam machte, das sie sonst wohl übersehen hätte: einen Umschlag mit ihrem Namen darauf. Im Umschlag steckten fünf Einhundert-Dollar-Scheine und ein Zettel von Mister Stanley, auf dem stand: »Nicht so viel, wie wir es gern hätten, aber mit all unseren besten Wünschen, viel Glück. Melden Sie sich. Allerherzlichste Grüße, Stan und Zeke.«
    Lieber, lieber Mister Stanley. Lula hatte ihn nicht im Stich gelassen, wirklich nicht. Sie hatte seinem Sohn geholfen. Sie konnte nicht für immer bleiben. Es tat ihr leid, dass sie es Guri hatte durchgehen lassen, Mister Stanleys Haus ein Mausoleum zu nennen. Selbst wenn es ein Mausoleum war. Was es nicht war. Warum hatte sie nicht daran gedacht, Guri zu sagen, dass hier menschliche Wesen lebten?
    Lula stieg in den Lexus.
    »Hast du alles?«, fragte Genti.
    »Alles«, sagte Lula.
    Er fuhr los, und Guri folgte in seinem auberginefarbenen Sedan.
    »Wir fahren beide mit in die Stadt«, sagte Genti. »Wir tragen dir die Sachen rauf. Dann verschwinden wir.« Lula stellte sich vor, wie Genti und Guri vor den Augen des Portiers durch Dunias Lobby stapften. Sie schaute in den Rückspiegel. Verfolgt zu werden, machte Lula nervös, selbst wenn sie wusste, wer ihr folgte und warum.
    Ein paar Blocks von Mister Stanleys Haus entfernt sagte Genti: »Noch was. Uns ist eingefallen, dass du nicht fahren kannst.«
    »Alvo wollte es mir beibringen«, sagte sie.
    »Das war damals«, sagte Genti. »Jetzt ist jetzt. Aber ich kann dir eine Fahrstunde geben. Du musst fahren können. Unbedingt, um Amerikanerin zu sein. Das brauchst du mehr, als zu wissen, wer der erste Präsident war und wie viele Sterne auf der Pilgerväterflagge waren.«
    »Man braucht es, um ein Mensch zu sein«, sagte Lula. »Welcher Mensch kann denn nicht Auto fahren?« Sie hielt es für besser, ihm, einem albanischen Mann, jedem Mann, lieber nicht zu erzählen, dass es keine Pilgerväterflagge gegeben hatte.
    »Du wirst es schnell lernen«, sagte Genti.
    »Wann?«, fragte Lula.
    »Jetzt«, sagte Genti. Sie befanden sich noch auf einer ruhigen Wohnstraße. Er parkte vor einem Haus und griff hinüber, um Lulas Tür zu öffnen. »Steig aus, geh ums Auto und steig auf dieser Seite ein.«
    »Hier?«, fragte Lula.
    »Wo sonst?« Guri hatte hinter ihnen eingeparkt. Durch seine Windschutzscheibe winkte er Lula heftig zu – als Ermutigung, nahm sie an.
    »Braucht man denn keine Fahrerlaubnis für Anfänger?« Lula wusste von Zeke, dass man die brauchte.
    »Nein«, sagte Genti. »Mach dir keine Sorgen. Die bedeutet nichts. In diesem Land braucht man eine Erlaubnis, um scheißen zu gehen.«
    Lula setzte sich hinters Steuer. Genti sagte: »Tritt auf die Pedale. Leicht! Okay, jetzt der Schlüssel.« Ihre Hand zitterte, während sie mit dem Schlüssel herumfummelte. Lula schrie auf, als der Motor ansprang.
    »Lektion eins: nicht schreien«, sagte Genti.
    »Mach ich nicht«, versprach Lula. »Ich meine, ich mach’s nicht wieder.«
    »Dreh am Steuer, fahr vorsichtig vom Bordstein weg. Gut. Die kleine Schwester hat Talent.«
    Vielleicht hatte sie Talent, denn es war problemlos, geradeaus zu fahren und die Breite der Straße einzuschätzen. Genti fand einen Parkplatz
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