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Lucifer - Traeger des Lichts

Titel: Lucifer - Traeger des Lichts
Autoren: Catherine Webb
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Hund zu haben, dachte er. Er zog ein dickes Adressbuch hinter der Dose hervor und blätterte es durch. Einige Adressen waren auf Englisch, doch die meisten waren in einer archaischen Schrift, welche die Gerüchte an der Universität um ein Vielfaches vermehrt hätte. Wenn er in Europa war, behauptete er, es handele sich um eine Form von Hindi; war er in Asien, gab er vor, es wären skandinavische Runen.
    Doch von der Sprache abgesehen, war es einfach ein Adressbuch. Als er den Eintrag für Freya Oldstock gefunden hatte, schrieb er ihn sich in die Handfläche. Er wollte nicht mit dem
    Buch in seinem Besitz erwischt werden - zu viele Leute darin scheuten die Öffentlichkeit.
    Danach nahm er sich seine Karte für das Gebiet vor, die an strategischen Punkten in zwei Farben markiert war. Blau für Himmel, rot für Hölle. Er fuhr mit dem Finger um das Dorf Holcombe, in dem Wissen, dass er nicht lange würde suchen müssen. Freya hatte mit Sicherheit nahe an einem Tor gewohnt. Jedem aus seiner Familie lag es im Blut. Man lebte entweder so weit weg von einem Tor wie möglich und war verdammt schnell auf den Beinen, wenn man eines brauchte, oder man lebte nahebei und war allzeit bereit, darin zu verschwinden. Weil offensichtlich jeder auf dieser Welt, selbst die unschuldige Freya, die noch vor kurzem aller Freund gewesen war, Feinde hatte.
    Als die Uhr zwölf schlug, legte Sam Linnfer schließlich seinen Kopf auf das Kissen und fiel in einen traumlosen Schlaf. Draußen auf der Straße war das Miauen einer Katze zu hören, in der Ferne das Rauschen einer Hauptstraße und das nasse Vorbeiwischen eines Busses. Als der Bus durch eine Pfütze fuhr, die sich um einen verstopften Gully gebildet hatte, überschüttete ein Wasserschwall eine Gruppe betrunkener Jugendlicher, die aus einem nahe gelegenen Pub kamen, und ersparte ihnen so vielleicht drei Stunden an Ausnüchterung. Der Videoverleih auf der anderen Seite der Straße spielte seine endlosen stummen Lieder und Filme auf dem nie ermüdenden Fernsehschirm im Schaufenster, und New Look saß gequetscht zwischen dem Schuhservice und dem Zeitschriftenkiosk, der selbst zu dieser ungastlichen Stunde noch auf hatte, damit die Familie, der er gehörte, wer-weiß-welche Schulden abtragen konnte. Nur eins von den fünf Kindern sprach Englisch, und der Mann hielt sich einen sehr alten Hund mit gelben Zähnen und von unberechenbarer Bösartigkeit. Vor dem Laden war ein Stand, der seltsam gebogene Pflanzen verkaufen, die wie eine Art religiöses Symbol aussahen und die nur eine bestimmte ethnische Minderheit auf der Welt so kochen konnte, dass der von ihr besonders geschätzte Geschmack nach totem Hund richtig zur Geltung kam.
    Ein Rabe flog über die Straße. Dies war ungewöhnlich, und zwar aus mehreren Gründen. Zum einen ist Camden nicht gerade bekannt für seine Raben; die Mülleimer voller McDonald's-Verpackungen zogen, wenn überhaupt, eher eine unterernährte Brut von Tauben an. Dieser Rabe war gut im Futter, sein Gefieder glänzend schwarz. Er flog entlang einer schnurgeraden Linie, wobei er sich unterhalb der Hausgiebel hielt und der Straße folgte - so, als habe er genaue Anweisungen erhalten und müsse die Straßenschilder sehen, um zu wissen, wo es langging. Einmal schoss er über eine Querstraße hinaus und drehte sich um die eigene Achse, wobei er die Verkehrsregeln in einer Art missachtete, dass es einer Politesse Tränen in die Augen getrieben hätte. Irgendwie schaffte er es, von der Tufnell Park Station zur Camden Road zu gelangen und einem Kanal zu folgen, bis er, ziemlich verirrt wirkend, schließlich auf die Straße stieß, wo Sam wohnte. Dort ging er so scharf in die Kurve, dass er fast gegen eine Straßenlaterne geprallt wäre. Während er die stille Straße entlangflatterte, ging sein Blick hierhin und dorthin, bis er schließlich das Haus erreicht hatte. Dort landete er auf einem Fenstersims und sah sich um.
    Dann geschah etwas. Der Rabe selbst war zum planmäßigen Denken nicht fähig, doch hinter jenen starren Knopfaugen lag nichtsdestotrotz ein scharfes Bewusstsein, ein Licht, das die meisten Menschen nicht in einem Gehirn von der Größe einer Walnuss erwarten würden und das hungrig von den Bildern zehrte, die der Rabe mit seinen Augen aufnahm. Als der Rabe jedoch den Fenstersims berührte, schien sich etwas zu verändern. Ein Kribbeln durchlief den Körper des Tieres. Silberne Funken blitzten aus seinen Augen. Der Griff, der seinen kleinen Verstand umfangen
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