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Love Story: Roman (German Edition)

Love Story: Roman (German Edition)

Titel: Love Story: Roman (German Edition)
Autoren: Erich Segal
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geworden war.
    «Komm rein, mein Junge», sagte er. Aus dem Ton war für mich nichts zu entnehmen. Ich folgte ihm einfach in sein Büro.
    Ich saß im «Kundensessel».
    Wir sahen erst einander an und ließen dann unsere Blicke auf andere Gegenstände im Raum abschweifen. Ich ließ den meinen zwischen den Sachen auf seinem Schreibtisch umherwandern: Schere im Lederetui, Brieföffner mit Ledergriff, Foto von Mutter, vor Jahren aufgenommen, Foto von mir (beim Abgang von Exeter).
    «Wie ist es dir denn so ergangen, Junge?» fragte er.
    «Gut, Sir», sagte ich.
    «Und wie geht’s Jennifer?»
    Statt ihm etwas vorzulügen, umging ich das Problem, obwohl es der springende Punkt war, indem ich mit dem Grund für mein plötzliches Wiederauftauchen herausplatzte.
    «Vater, ich brauche aus bestimmten Gründen fünftausend Dollar.»
    Er sah mich an. Und nickte irgendwie, glaube ich.
    «Ja. Und?» sagte er.
    «Bitte?» fragte ich.
    «Darf ich die Gründe erfahren?» fragte er.
    «Die kann ich dir nicht sagen, Vater. Leih mir die Piepen. Bitte.»
    Ich hatte das Gefühl – wenn Oliver Barrett III überhaupt Gefühle auszulösen imstande war –, daß er mir das Geld geben wollte. Ich witterte auch, daß er mir keine Standpauke halten würde. Aber eines wollte er: mit mir reden.
    «Zahlen sie dir nicht genug bei Jonas & Marsh?» fragte er.
    «Doch, Sir.»
    Ich war in Versuchung, ihm zu sagen, wieviel, bloß um ihn wissen zu lassen, daß es ein Klassenrekord war, aber dann dachte ich mir, wenn er schon wußte, wo ich arbeitete, würde er auch mein Gehalt kennen.
    «Und unterrichtet sie nicht außerdem?» fragte er. Nun ja, er wußte eben nicht alles.
    «Nenn sie nicht ‹sie›», sagte ich.
    «Unterrichtet Jennifer nicht?» fragte er höflich.
    «Bitte laß sie aus dem Spiel, Vater. Das hier ist eine Privatangelegenheit von mir. Eine sehr wichtige Privatangelegenheit.»
    «Hast du ein Mädchen in Schwierigkeiten gebracht?» fragte er ohne Mißbilligung in der Stimme.
    «Ja», sagte ich. «Ja, Sir. Das ist es. Gib mir die Piepen. Bitte.» Ich bildete mir keinen Moment ein, daß er mir den Grund abnahm. Ich glaube nicht einmal, daß er ihn wirklich wissen wollte. Er hatte mich nur gefragt, damit wir – wie ich schon sagte – etwas miteinander zu reden hatten.
    Er langte in die Schreibtischschublade und holte ein Scheckbuch heraus, in das gleiche Leder gebunden wie der Griff von seinem Brieföffner und das Etui für seine Schere. Er schlug es langsam auf. Nicht um mich zu quälen, glaube ich, sondern um Zeit zu gewinnen. Um noch etwas zu finden, was er sagen konnte. Etwas, mit dem man nicht aneckte.
    Er schrieb den Scheck aus, trennte ihn aus dem Scheckbuch, hielt ihn mir hin. Vielleicht merkte ich einen Sekundenbruchteil zu spät, daß ich ihm die Hand hätte entgegenstrecken sollen. Dadurch wurde er verlegen (glaube ich), zog die Hand zurück und legte den Scheck auf die Kante seines Schreibtisches. Jetzt sah er mich an und nickte. Sein Ausdruck besagte: «Also dann, mein Junge, da ist er.» In Wirklichkeit nickte er nur.
    Nicht, daß ich Lust hatte zu gehen. Mir fiel eben auch nichts Neutrales ein, was ich hätte sagen können. Und wir konnten doch nicht bloß beide dasitzen, bereit, uns zu unterhalten, und unfähig, einander in die Augen zu sehen.
    Ich beugte mich vor und nahm den Scheck. Jawohl, fünftausend Dollar, es stand drauf, unterzeichnet Oliver Barrett III. Er war bereits trocken. Ich faltete ihn sorgfältig und steckte ihn beim Aufstehen in die Tasche von meinem Hemd. Ich ging zur Tür. Ich hätte wenigstens irgend etwas sagen können. Zum Beispiel, daß ich wüßte, wie viele wichtige Bostoner Würdenträger (vielleicht sogar solche aus Washington) sich meinetwegen in seinem Vorzimmer die Beine in den Bauch standen, und noch – wenn wir einander mehr mitzuteilen hätten, könnte ich ja sogar bei dir im Büro herumhängen, Vater, und du würdest deine Verabredungen zum Lunch absagen … und so weiter.
    Ich stand in der halboffenen Tür und nahm allen Mut zusammen, sah ihn an und sagte: «Ich danke dir, Vater.»

21
    Die Aufgabe, es Phil Cavilleri zu sagen, fiel mir zu. Wem auch sonst? Entgegen meinen Befürchtungen brach er nicht zusammen, sondern schloß völlig ruhig das Haus in Cranston ab und zog in unsere Wohnung. Jeder hat wohl so seine Eigenheiten, wenn es gilt, sich dem Schmerz zu stellen. Die von Phil war das Saubermachen. Waschen, schrubben, polieren. Ich begreife zwar seinen Gedankengang nicht, aber
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