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Love Story: Roman (German Edition)

Love Story: Roman (German Edition)

Titel: Love Story: Roman (German Edition)
Autoren: Erich Segal
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lieber Himmel, laß es ihn doch machen.
    Klammert er sich an den Traum, daß Jenny heimkommt?
    Ja, nicht wahr? Der arme Kerl. Deswegen putzt er so gründlich. Er will einfach die Dinge nicht hinnehmen, wie sie sind. Natürlich wird er das vor mir nicht zugeben, aber ich weiß, woran er denkt. Weil ich nämlich auch daran denke.

    Als sie erst einmal im Krankenhaus war, rief ich den alten Jonas an und teilte ihm mit, warum ich nicht zur Arbeit kam. Ich tat so, als müßte ich mich beim Telefonieren beeilen, weil ich wußte, daß es ihm schmerzlich war und er Dinge sagen wollte, die sich einfach nicht in Worte fassen ließen. Von da an teilten sich die Tage schlicht zwischen den Besuchsstunden und allem übrigen. Dem Essen ohne Appetit, dem Zusehen, während Phil die Wohnung (schon wieder!) putzte, und dem Nichtschlafen, trotz des Mittels, das mir Ackerman gegeben hatte.
    Einmal hörte ich Phil vor sich hin murmeln: «Lange halte ich das nicht mehr aus.» Er war im Nebenzimmer und wusch die Teller vom Abendessen (mit der Hand). Ich antwortete ihm nicht, aber ich dachte für mich: Ich halte es aus. Wer auch immer Sie sind, da droben, Herr Höchstes Wesen, der Sie in diesem Stück Regie führen, nur so weiter, Sir, das kann ich ad infinitum aushalten, weil Jenny immer noch da ist.
    An diesem Abend warf sie mich aus dem Zimmer. Sie wollte «von Mann zu Mann» mit ihrem Vater sprechen.
    «Die Zusammenkunft ist ausschließlich auf Amerikaner italienischer Herkunft beschränkt», sagte sie und sah so weiß aus wie ihr Kopfkissen, «also hau ab, Barrett.»
    «Okay», sagte ich.
    «Aber nicht zu weit weg», sagte sie, als ich an der Tür stand. Ich ging und setzte mich in die Eingangshalle. Bald darauf erschien Phil.
    «Sie sagt, du sollst jetzt dein dummes Gesicht mal wieder da drin zeigen», flüsterte er heiser, als sei sein ganzes Inneres hohl. «Ich geh mir Zigaretten holen.»
    «Mach die Tür zu, verdammt noch mal», befahl sie, als ich ins Zimmer trat. Ich gehorchte, schloß leise die Tür, und als ich zurückkam, um mich an ihr Bett zu setzen, sah ich sie erst richtig. Ich meine, mit all den Schläuchen im rechten Arm, den sie sonst immer unter der Bettdecke versteckte. Ich saß immer gern nah bei ihr und sah ihr ins Gesicht, in dem trotz ihrer Blässe noch immer die Augen leuchteten.
    Darum setzte ich mich schnell ganz nah zu ihr.
    «Es tut wirklich nicht weh, Ollie», sagte sie. «Es ist, als ob man im Zeitlupentempo von einer Felswand runterstürzt, weißt du?»
    Tief in meinen Eingeweiden rührte sich was. Etwas Gestaltloses, das mir in die Kehle flattern und mich zum Weinen bringen würde. Aber ich würde nicht weinen. Ich habe noch nie geweint. Ich bin ein zäher Brocken, wissen Sie. Ich weine nicht.
    Aber wenn ich nicht weinen will, dann kann ich den Mund nicht aufmachen. Dann kann ich bloß «ja» nicken. Also nickte ich bloß «ja».
    «Verdammter Mist», sagte sie.
    «Wie?» Es war mehr ein Grunzen als ein Wort.
    «Du weißt nicht, wie das ist, wenn man Felswände runterstürzt, Preppie», sagte sie. «Du bist in deinem ganzen komischen Leben noch nie eine runtergestürzt.»
    «Doch», sagte ich und fand die Sprache wieder. «Als ich dich kennenlernte.»
    «Ah ja?» sagte sie, und ein Lächeln überzog ihr Gesicht. «‹Oh welch ein Sturz war dies …› Wer sagt das?»
    «Weiß nicht», erwiderte ich. «Shakespeare?»
    «Ja, aber wo», sagte sie beinahe klagend. «Ich kann mich nicht mal mehr an das Stück erinnern. Ich bin in Radcliffe gewesen, ich müßte es doch noch wissen. Ich habe mal alle Nummern vom Köchel-Verzeichnis gewußt.»
    «Ganz große Klasse», sagte ich.
    «Du kannst dich drauf verlassen», sagte sie und runzelte die Stirn. «Welche Nummer hat das c-Moll-Klavierkonzert?»
    «Ich werd’s nachschlagen», sagte ich.
    Ich wußte genau wo. In unserer Wohnung, in einem Fach neben dem Klavier. Ich würde es nachschlagen und ihr morgen als erstes sagen.
    «Früher habe ich es immer gewußt», sagte Jenny, «wirklich. Ich hab so was gewußt.»
    «Hör mal», sagte ich im Humphrey-Bogart-Ton, «möchtest du dich über Musik unterhalten?»
    «Würdest du dich lieber über Beerdigungen unterhalten?» fragte sie.
    «Nein», sagte ich, und es tat mir leid, sie unterbrochen zu haben.
    «Das habe ich alles mit Phil besprochen. Hörst du zu, Ollie?»
    Ich wandte das Gesicht ab.
    «Ja, ich höre, Jenny.»
    «Ich habe ihm gesagt, er könnte eine katholische Zeremonie haben, du hättest nichts dagegen.
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