Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
sie selbst gestrickt. Und du weißt doch, wie sehr ich das Stricken verabscheue.«
    »Nun, es ist ein warmer Abend. Und ich mag es, wenn die Luft, äh, frei zirkulieren kann.«
    »Die Fersen waren wirklich schwierig zu stricken.«
    »Tut mir leid, Esme.«
    »Nun, sei wenigstens so gut, zu meiner Hütte zu laufen und jene Dinge zu holen, die sich in der untersten Kommodenschublade befinden.«
    »Ja, Esme.«
    »Sprich vorher mit deinem Jason und sag ihm, er soll in der Schmiede alles vorbereiten.«
    Nanny Ogg starrte das Einhorn an, das mit den Beinen zappelte. Es steckte ganz offensichtlich in der Klemme: Es fürchtete sich vor Oma Wetterwachs, konnte jedoch nicht fliehen.
    »Oh, Esme, du willst unseren Jason doch nicht etwa bitten…«
    »Ich habe keineswegs vor, ihn um etwas zu bitten. Und auch an dich habe ich keine Bitte gerichtet.«
    Oma Wetterwachs zog sich den Hut vom Kopf und warf ihn fort. Sie wandte den Blick nicht vom Einhorn ab, als sie nach dem eisengrauen Haarknoten tastete und einige ganz bestimmte Nadeln daraus löste.
    Der Knoten verwandelte sich in eine silbrige Haarschlange, die bis zur Hüfte hinabreichte. Oma schüttelte einige Male den Kopf.
    Nanny war vor Faszination wie gelähmt, als ihre alte Freundin einmal mehr die Hand hob und sich ein einzelnes Haar ausriß.
    Oma Wetterwachs vollführte eine kompliziert anmutende Geste und formte eine Schlinge aus einem nahezu unsichtbaren Etwas. Sie ignorierte das hierhin und dorthin stoßende Horn, stülpte die Schlaufe über den Schädel des Wesens und zog.
    Schlamm spritzte unter den unbeschlagenen Hufen des Einhorns, als es auf die Beine kam.
    »Es wird sich losreißen«, prophezeite Nanny und trat so unauffällig wie möglich zum nächsten Baum.
    »Ich könnte das Tier mit einer Spinnwebe halten, Gytha Ogg. Mit einer Spinnwebe. Geh jetzt. Du weißt, was du zu tun hast.«
    »Ja, Esme.«
    Das Einhorn warf den Kopf zurück und wieherte heulend.
     
    Die halbe Stadt wartete, als Oma das Geschöpf nach Lancre führte – wenn man Nanny Ogg etwas erzählte, so war es nur eine Frage der Zeit, bis auch alle anderen es wußten.
    Die Hufe des Tiers kratzten übers Kopfsteinpflaster, als es sich am Ende der unglaublich dünnen Leine hin und her wand, ohne sich befreien zu können.
    Ab und zu trat es nach hoffnungslos Unvorsichtigen, die ihm zu nahe kamen.
    Jason Ogg trug noch immer seine gute Kleidung und stand nervös in der offenen Tür seiner Schmiede. Heiße Luft flirrte überm Schornstein.
    »Herr Schmied…«, sagte Oma Wetterwachs. »Ich habe Arbeit für dich.«
    »Äh«, erwiderte Jason. »Das ist ein Einhorn. Äh.«
    »Stimmt.«
    Das Einhorn heulte, sah Jason an und rollte mit roten Augen, in denen Irrsinn loderte.
    »Niemand hat jemals ein Einhorn beschlagen«, meinte Jason.
    »Du solltest darin deine große Chance sehen«, sagte Oma.
    Die Menge drängte näher, um alles zu sehen und zu hören. Gleichzeitig versuchten die Leute, einen sicheren Abstand zu den Hufen zu wahren.
    Jason hob den Hammer und rieb sich damit das Kinn.
    »Ich weiß nicht…«
    »Hör mir gut zu, Jason Ogg.« Oma zog an dem Haar, als das Einhorn im Kreis schlitterte. »Du kannst alles beschlagen, ganz gleich, was man dir auch bringt. Aber diese Fähigkeit hat einen Preis, nicht wahr?«
    Jason warf seiner Mutter einen panikerfüllten Blick zu. Nanny Ogg war anständig genug, zumindest verlegen zu wirken.
    »Sie hat mir nichts davon erzählt«, sagte Oma, womit sie bewies: Sie konnte Nannys Gesichtsausdruck durch den eigenen Hinterkopf erkennen.
    Sie beugte sich zu Jason vor, während hinter ihr das Einhorn trat und keuchte. »Der Preis für die Fähigkeit, alles beschlagen zu können… Er besteht darin, daß du alles beschlagen mußt, was man dir bringt. Um der Beste zu sein, muß man sich immer bemühen, Bestes zu leisten. Du zahlst diesen Preis, ebenso wie ich.«
    Das Einhorn trat mehrere Zentimeter Holz aus dem Türrahmen.
    »Aber Eisen…«, murmelte Jason. »Und Nägel…«
    »Ja?«
    »Eisen tötet das Geschöpf. Wenn ich das Einhorn mit Eisen beschlage, bringe ich es um. Und das Auslöschen von Leben gehört nicht dazu. Ich habe nie etwas getötet. Bei der Ameise dauerte die Arbeit viele Stunden lang, und sie hat nichts gespürt. Ich möchte einem Geschöpf, das mir nichts getan hat, keine Schmerzen zufügen.«
    »Hast du die Sachen aus der Kommode geholt, Gytha?«
    »Ja, Esme.«
    »Bring sie her. Und du, Jason… Schür das Feuer in der Esse.«
    »Aber wenn ich das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher