Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
haben, intelligenter zu sein als ihre Mitmenschen – und die erst noch lernen müssen, diese Erkenntnis zu verbergen. Zusammen mit der Nase führt es zu einer strengen, Unbehagen hervorrufenden Miene. Es fällt schwer, zu jemandem mit einem derartigen Gesicht zu sprechen. Wenn man den Mund öffnet, wird man plötzlich von einem Blick durchbohrt, der folgende Botschaft vermittelt: Ganz gleich, was du auch zu sagen hast – es sollte interessant sein, zu deinem eigenen Besten.
    Ein solcher Blick streicht nun über die acht Felsen auf der Anhöhe.
    Hmm.
    Dann nähert sich die junge Frau vorsichtig. Es ist nicht die Vorsicht eines zur Flucht bereiten Hasen. Die Bewegungen lassen sich eher mit denen eines Jägers vergleichen.
    Sie stemmt die Hände in die schmalen Hüften.
    Eine Feldlerche zwitschert hoch am Himmel, und abgesehen davon herrscht Stille. Weiter unten im Tal und höher in den Bergen zirpen Heuschrecken und summen Bienen; dort ist das Gras voller Mikrogeräusche. Aber im Bereich der Steine schweigt die Welt.
    »Ich bin hier«, sagt die junge Dame. »Zeig dich.«
    Im Innern des Steinkreises erscheint eine dunkelhaarige Frau, die ein rotes Gewand trägt. Man kann ohne große Schwierigkeiten einen Kiesel von einer Seite des Kreises zur anderen werfen, aber die Gestalt erweckt trotzdem den Eindruck, aus weiter Ferne zu kommen.
    Andere Leute wären jetzt weggelaufen. Doch die junge Frau rührt sich nicht von der Stelle, ein Umstand, der die Fremde fasziniert.
    »Es gibt dich also wirklich.«
    »Natürlich. Wie heißt du, Mädchen?«
    »Esmeralda.«
    »Und was willst du?«
    »Ich will überhaupt nichts.«
    »Jeder möchte etwas. Auch du. Warum bist du sonst gekommen?«
    »Ich wollte nur herausfinden, ob es dich gibt.«
    »Ja, für dich existiere ich zweifellos… Du hast einen scharfen Blick.«
    Die junge Frau nickt. Ihr Stolz kommt einem Schild gleich, an dem alles abprallt.
    »Und da du nun Antwort auf deine Frage gefunden hast…«, sagt die Gestalt im Kreis. »Was willst du von mir?«
    »Nichts.«
    »Ach, tatsächlich? In der letzten Woche hast du die Berge jenseits vom Kupferkopf erklommen, um mit den Trollen zu reden. Was wolltest du von ihnen?«
    Die junge Frau neigt den Kopf zur Seite.
    »Woher weißt du das?«
    »Die Erinnerungen daran befinden sich ganz oben in deinem Bewußtsein. Jeder kann sie sehen. Jeder, der einen scharfen Blick hat.«
    »Dazu werde auch ich imstande sein, eines Tages«, meint die Frau selbstgefällig.
    »Wer weiß? Vielleicht hast du recht. Was wolltest du von den Trollen?«
    »Ich… Ich wollte nur mit ihnen reden. Sie glauben, daß die Zeit rückwärts läuft. Sie erklären es damit, daß man die Vergangenheit sehen kann…«
    Die Fremde im Kreis lacht.
    »Trolle sind wie die dummen Zwerge! Interessieren sich nur für Steine. Was kann an Steinen schon interessant sein?«
    Die junge Frau zuckt unverbindlich mit den Schultern. Sie scheint der Meinung zu sein, daß Steine durchaus interessant sein können.
    »Warum bist du nicht in der Lage, den Kreis zu verlassen?«
    Es gibt einige subtile Anzeichen dafür, daß diese Frage der Fremden nicht sehr gefällt. Sie beschließt, ihr keine Beachtung zu schenken.
    »Ich könnte dir helfen, mehr zu finden als nur Steine«, bietet sie an.
    »Du kannst den Kreis wirklich nicht verlassen, oder?«
    »Ich kann dir das geben, was du möchtest.«
    »Ich kann jeden beliebigen Ort aufsuchen, aber du sitzt im Kreis fest«, sagt Esmeralda.
    »Jeden beliebigen Ort willst du aufsuchen können?«
    »Ja. Wenn ich Hexe bin.«
    »Aber du wirst nie eine sein.«
    »Was?«
    »Es heißt, du hörst nicht zu. Es fällt dir schwer, dein Temperament zu beherrschen. Angeblich fehlt es dir an Disziplin.«
    Die junge Frau wirft ihr Haar zurück. »Ach, auch das weißt du, wie? So etwas sagt man mir also nach… Nun, was auch immer die Leute glauben – ich werde Hexe. Es ist auch möglich, die Dinge selbst herauszufinden. Man muß nicht unbedingt alten Weibern zuhören. Und noch etwas, Steinkreisfrau: Ich werde die beste Hexe, die es je gab.«
    »Mit meiner Hilfe wäre dir das möglich«, erwidert die Fremde. Sie zögert kurz und fügt hinzu: »Ich glaube, der junge Mann sucht nach dir.«
    Einmal mehr zuckt Esmeralda mit den Schultern. Soll er von mir aus den ganzen Tag suchen, lautet ihre unausgesprochene Antwort.
    »Ich werde zur besten Hexe aller Zeiten«, betont sie erneut. »Oder?«
    »Vielleicht. Du könntest alles werden. Was auch immer du willst. Komm zu mir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher