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Long Dark Night

Long Dark Night

Titel: Long Dark Night
Autoren: Ed McBain
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hat mir gesagt, er würde sie auf Voltaren umstellen, weil das Naprosyn nicht mehr wirkt. Er hat ständig die Dosis erhöht, es war wirklich traurig.«
    »Wie lange kannten Sie sie?« fragte Carella.
    Eine andere Möglichkeit, sie zu fragen: Wie gut kannten Sie sie? Er glaubte keinen Augenblick lang, daß Karen Todd irgend etwas mit dem Mord an der alten Frau nebenan zu tun hatte, aber schon seine Mutter hatte ihm beigebracht, daß jeder verdächtig sei, bis seine Geschichte aufgeklärt ist. Oder ihre Geschichte. Politisch korrekt müßte es wahrscheinlich sogar so lauten: »Jede[r] ist ein[e] Verdächtige[r], bis seine/ihre Geschichte aufgeklärt wurde.« Idioten, die so redeten, haßte Carella noch mehr als irgendwelche harmlosen Spinner, die sich an den Dosen und Flaschen auf Supermarktregalen zu schaffen machten. Wir stellen ein: eine/n Polizeichef/in.
    »Seit ich hier einzog«, sagte Karen.
    »Wann war das?«
    »Vor einem Jahr im Oktober. Am fünfzehnten, um genau zu sein.«
    Der Geburtstag großer Männer, dachte Hawes, sagte es aber nicht.
    »Ich wohne jetzt seit über einem Jahr hier. Vierzehn Monate, um genau zu sein. Sie brachte mir ein Geschenk zum Einzug. Einen Laib Brot und Salz. Das soll Glück bringen. Sie stammte nämlich aus Rußland. Da drüben pflegt man die alten Traditionen noch. Hier in Amerika haben wir keine Traditionen mehr.«
    Falsch, dachte Carella. Wir haben Mord zur Tradition gemacht.
    »Sie war da drüben ein großer Star«, sagte Karen. »Na ja, hier auch, um genau zu sein.«
    Ein übler Sprachfimmel, dachte Hawes.
    »Sie hat mir Geschichten erzählt, wie sie auf der ganzen Welt vor Königshäusern spielte, um genau zu sein. Sie hatte viele Erinnerungen.«
    »Wann hat sie Ihnen diese Geschichten erzählt?«
    »Ach, nachmittags. Wir haben dann und wann mal zusammen Tee getrunken.«
    »In ihrer Wohnung?«
    »Ja. Das war auch eine Tradition. Teezeit. Sie hatte ein wunderschönes Teeservice. Ich mußte eingießen, wegen ihrer Hände. Wir saßen dann da und hörten uns die Platten an, die sie aufgenommen hatte, als sie berühmt war. Und tranken am Spätnachmittag Tee. Das erinnerte mich irgendwie an T.S. Eliot.«
    Mich auch, dachte Hawes, sagte aber wieder nichts.
    »Als Sie sagten, Sie hätten nur gelegentlich mit ihr gesprochen«, warf Carella ein, »meinten Sie auch die Besuche in ihrer Wohnung…«
    »Ja, sicher…«
    »… bei denen sie sich gemeinsam ihre Platten angehört haben.«
    »Ja. Na ja, sie war auch ein paarmal bei mir. Ich habe sie manchmal zum Abendessen eingeladen. Habe dann alles ein bißchen nett und festlich hergerichtet. Sie war allein und einsam und … na ja, ich wollte nicht, daß sie zu früh mit dem Trinken anfängt. Abends hat sie immer ziemlich viel getrunken.«
    »Ziemlich viel…?«
    »Tja … um genau zu sein, sie fing schon morgens mit dem Trinken an. Wenn sie wach wurde. Aber abends… na ja … manchmal hat sie sich bis zur Bewußtlosigkeit betrunken.«
    »Woher wissen Sie das?« fragte Hawes.
    »Sie hat es mir gesagt. Sie war sehr offen zu mir. Sie wußte, daß sie ein Problem hat.«
    »Hat sie irgend etwas dagegen unternommen?«
    »Sie war dreiundachtzig Jahre alt. Was konnte sie dagegen unternehmen? Die Arthritis war schlimm genug. Aber sie hat auch ein Hörgerät getragen. Und in letzter Zeit hatte sie immer öfter Ohrensausen, hörte ein Läuten im Kopf, und ein Zischen, wie von einem Kessel. Und manchmal ein dumpfes Dröhnen, wie von schweren Maschinen. Es war wirklich schrecklich. Sie hat mir gesagt, ihr Arzt wolle sie zur Untersuchung zu einem Neurologen schicken, aber sie hatte Angst davor.«
    »Wann war das?« fragte Hawes.
    »Kurz vor Thanksgiving. Es war wirklich traurig.«
    »Diese Teestunden am Nachmittag«, sagte Carella, »diese kleinen Abendessen … War sonst noch jemand dabei? Außer Ihnen und Miss Dyalovich?«
    Irgendwie gefiel ihm das besser als Mrs. Helder. Auf dem Titelbild des Time Magazine, dachte er. Da sollte man nicht als Mrs. Helder enden.
    »Nein, nur wir beide. Ich glaube nicht, daß sie irgendwelche anderen Freunde hatte, um genau zu sein. Sie hat mir einmal erzählt, alle Leute, die sie gekannt hatte, als sie jung und berühmt war, seien jetzt tot. Sie hatte wohl nur mich. Und die Katze. Sie war furchtbar vernarrt in Irina. Was wird jetzt überhaupt mit ihr? Kommt sie in ein Tierheim?«
    »Miss, er hat auch die Katze getötet«, sagte Hawes.
    »Ach du großer Gott! Ach du großer Gott!« sagte Karen und war dann einen
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