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Long Dark Night

Long Dark Night

Titel: Long Dark Night
Autoren: Ed McBain
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anderen. Er gerät in Panik. Erschießt sie, bevor sie schreien kann. Erschießt sicherheitshalber auch noch die Katze. Ein Mann in einer Wohnung auf dieser Etage hört die Schüsse, schreit Zeter und Mordio. Der Hausmeister läuft hoch, ruft die Polizei an. Mittlerweile ist der Einbrecher wieder durchs Fenster raus und schon längst über alle Berge.
    »Wollen Sie die Handtasche haben?« fragte einer der Jungs von der Spurensicherung.
    Carella drehte sich von dem kleinen Schreibtisch im Wohnzimmer um, den er gemeinsam mit Hawes durchsuchte.
    »Wir sind damit fertig«, sagte der Techniker. »Fingerabdrücke?«
    »Ganz kleine. Müssen vom Opfer sein.«
    »Was war drin?«
    »Nichts. Sie ist leer.«
    »Leer?«
    »Der Täter muß den Inhalt auf den Boden gekippt und dann mitgenommen haben.«
    Carella dachte kurz darüber nach.
    »Er hat sie zuerst erschossen, meinen Sie? Und dann die Tasche ausgekippt und den Inhalt aufgesammelt?«
    »Nun … ja«, sagte der Mann von der Spurensicherung.
    Das klang sogar in seinen eigenen Ohren lächerlich.
    »Warum hat er sich nicht einfach die Tasche geschnappt und ist damit abgehauen?«
    »Sie wissen doch, daß die manchmal komische Sachen machen.«
    »Ja«, sagte Carella.
    Er fragte sich, ob Geld in der Tasche gewesen war, als die Lady loszog, um ihren Fusel zu kaufen. »Zeigen Sie mal her«, sagte er.
    Der Techniker gab ihm die Tasche. Carella schaute hinein und drehte sie um. Nichts fiel heraus. Er sah noch mal hinein. Nichts.
    »Steve?«
    Cotton Hawes rief ihn vom Schreibtisch aus.
    »Eine Brieftasche«, sagte er und hielt sie hoch.
    In der Brieftasche war eine Visa-Karte mit einem Foto von der Frau namens Svetlana Helder in der linken Ecke.
    Darin befanden sich auch einhundert Dollar in Zehnern, Fünfern und Ein-Dollar-Scheinen.
    Carella fragte sich, ob sie im Schnapsladen um die Ecke anschreiben lassen konnte.
     
    Als sie in den Hausflur traten, sagte eine Frau, die vor der Wohnungstür genau nebenan stand: »Entschuldigung?« Hawes musterte sie.
    Siebenundzwanzig, achtundzwanzig Jahre, schätzte er, schlank und dunkelhaarig, mit leicht exotischen Gesichtszügen, die auf den Nahen Osten oder zumindest den Mittelmeerraum schließen ließen. Sehr dunkle, braune Augen. Kein Make-up, kein Nagellack. Sie hatte einen Wollschal um den Hals geschlungen. Darunter ein Bademantel. Rotkarierte Pantoffeln mit Lammfellfutter an den Füßen. Hier im Hausflur war es etwas wärmer als draußen auf der Straße. Aber nur etwas. In den meisten Gebäuden in dieser Stadt wurde die Heizung um Mitternacht abgestellt. Jetzt war es Viertel vor eins.
    »Sind Sie die Detectives?« fragte sie.
    »Ja«, sagte Carella.
    »Ich bin ihre Nachbarin«, sagte die Frau.
    Sie warteten.
    »Karen Todd«, sagte sie.
    »Detective Carella. Mein Partner, Detective Hawes. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
    Sie reichten ihr nicht die Hand. Nicht, weil sie Chauvinisten waren, sondern weil Cops normalen Bürgern nur selten die Hand schütteln. Genau, wie Cops keine Regenschirme bei sich haben. Wenn man einen Typ sieht, der in strömendem Regen an der Straßenecke steht und die Hände in den Hosentaschen stecken hat, ist er mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit ein Undercover-Cop.
    »Ich war ausgegangen«, sagte Karen. »Der Hausmeister hat mir gesagt, daß jemand sie ermordet hat.«
    »Ja, das stimmt«, sagte Carella und beobachtete ihre Augen. Nichts flackerte darin. Sie nickte fast unmerklich.
    »Warum sollte ihr jemand etwas antun?« fragte sie. »So eine sanfte Seele.«
    »Wie gut kannten Sie sie?« fragte Hawes.
    »Wir haben uns nur ein paar Mal unterhalten. Sie war eine berühmte Pianistin, wußten Sie das? Svetlana Dyalovich. Unter diesem Namen ist sie aufgetreten.«
    Pianistin, dachte Hawes. Eine ausgezeichnete Künstlerin, die es auf das Titelbild des Time Magazine geschafft hatte. Eine Konzertpianistin.
    »Ihre Hände waren ganz knotig«, sagte Karen und schüttelte den Kopf.
    Die Detectives sahen sie an.
    »Die Arthritis. Sie hat mir gesagt, sie hätte ständig Schmerzen. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, daß man Flaschen mit Schmerztabletten nie problemlos aufkriegt? Das liegt daran, daß in Amerika nur Verrückte leben, die andere Leute quälen wollen. Aber wer sollte ihr schon etwas tun wollen?« fragte sie erneut und schüttelte den Kopf. »Sie hatte sowieso schon solche Schmerzen. Die Arthritis. Osteoarthritis, um genau zu sein, das hat ihr Arzt dazu gesagt. Ich habe sie einmal begleitet. Zu ihrem Arzt. Er
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