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Lohse, Eckart

Lohse, Eckart

Titel: Lohse, Eckart
Autoren: Guttenberg Biographie
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geradezu als Pflichtübung:
»Es gehört sich für einen Minister«, sagt dieser, an die Front zu gehen, um
Sachen zu erleben, »die man an seinem Schreibtisch nicht erlebt«. Riesenjubel.
Der Parteijugend gefällt der Minister in der Pose des Feldherrn.
     
    Vorbei an der
Kanzlerin
     
    Als er diese Rede hält, ist
Guttenberg gerade 20 Monate Bundesminister. In dieser
Zeit hat er das Ressort bereits einmal gewechselt, wurde vom Wirtschafts- zum
Verteidigungsminister, hat als solcher die beiden höchsten Mitarbeiter seines
Hauses mit einem Riesenknall vor die Tür gesetzt, dabei als Kollateralschaden den
Bundesarbeitsminister in den politischen Abgrund gestoßen, anschließend einen
Untersuchungsausschuss des Bundestages ausgelöst, den er allerdings schon bald
als eine harmlose Episode seines jungen Lebens abhaken kann. Suchen andere
Neulinge im Ministeramt zunächst nach Orientierung und Themen für einen ersten
kleinen inhaltlichen Vorstoß, so lässt Guttenberg die Kanzlerin wissen, er
gedenke, die Wehrpflicht abzuschaffen. Ein halbes Jahr später ist auch dieser
Tagesordnungspunkt politisch durchgesetzt. Dass es ihm in dieser Zeit gelungen
ist, nicht nur den Außenminister in allen Beliebtheitsumfragen hinter sich zu
lassen, sondern sogar die Bundeskanzlerin, ist im Oktober 2010 nach
Guttenberg'schen Maßstäben schon derart lange her, dass die wiederkehrende
Bestätigung durch die Umfrageinstitute fast langweilt.
    Wann und wie hat dieses politische
Hochgeschwindigkeitsrennen angefangen?
    Im Februar 2009 ist
Guttenberg gerade seit drei Monaten Generalsekretär seiner Partei. Als solcher
ist er in Deutschland so bekannt, wie es Generalsekretäre der CSU nach 100 Tagen nun
mal sind. In Bayern und natürlich in der CSU kennt man ihn. In Berlin nimmt ihn
ein kleiner Kreis außenpolitisch Interessierter wahr, denn Guttenberg ist seit 2002 als Bundestagsabgeordneter
in der internationalen Politik unterwegs.
    Für die breite Öffentlichkeit in
Deutschland ist der Enddreißiger ein unbeschriebenes Blatt. Dass er einem
jahrhundertealten Adelsgeschlecht entstammt, das verwandtschaftliche
Verbindungen zur Familie Stauffenberg hat, selbst im Widerstand gegen Hitler
aktiv war, schon in den sechziger Jahren einen Parlamentarischen Staatssekretär
im Bundeskanzleramt in seinen Reihen hatte und zudem ein Schloss in der Nähe
der oberfränkischen Stadt Kulmbach besitzt - all das ist weitgehend unbekannt.
Die Vorstellung, dass dieser Mann schon bald ein Millionenpublikum vor die
Fernseher ziehen würde, wenn er in Talkshows auftritt, dass seine Frau wenig
später ähnlich populär wie der Gatte sein wird, potenzielle Kinderschänder mit
Hilfe von RTL II vor laufender Kamera jagt, bei Günther Jauch mit einem Glas
Bier in der Hand der Frage »Wer wird Millionär ... ?« nachgeht, obwohl die in
ihrem Falle angesichts des Familienvermögens längst beantwortet ist, all das
ahnt im Februar 2009 kein Mensch.
    Denn Guttenbergs Name wird zwar
genannt, wenn über den Nachwuchs der Union gesprochen wird. Doch sind die Dinge
in der CSU in jenen Monaten derart in Bewegung, dass ein Aufstieg zum
Generalsekretär nicht als zwingender Schritt nach ganz oben gewertet werden
kann. Guttenberg ist schließlich Parteimanager von Gnaden des Vorsitzenden
Horst Seehofer, und ob der eine große Zeit an der Spitze der CSU vor sich hat,
ist zu Beginn des Jahres 2009 völlig
ungewiss. Viele wetten auf das Gegenteil. Bis zum Februar 2009 hätte es
auch sein können, dass Guttenberg eine Episode in der CSU-Geschichte bleibt,
dass er in der so bewegten Nach-Stoiber-Phase nach oben gespült und von einem
der innerparteilichen Strudel wieder nach unten gerissen wird. Verschwunden für
lange oder gar ewig, ein junges Talent, das den Unbilden seiner Zeit zum Opfer
gefallen ist. Ausgerechnet Seehofer wird mit der Benennung Guttenbergs als
Wirtschaftsminister dafür sorgen, dass es anders kommt. Er drückt den Knopf an
jenem Karrierekatapult, das Guttenberg in den deutschen Politikhimmel schießen
wird. Geplant hat er das so nicht.
    Es gibt ein Kinderspiel für
Geburtstagsfeiern, das Schokoladenwettessen heißt. Die Kinder am Tisch würfeln
reihum, und wer eine Sechs wirft, darf so viel Schokolade essen, wie er kann,
bevor der Nächste eine Sechs hat. Seit zwei Jahren kriegt der kleine
Karl-Theodor die ganze Schokolade, und die anderen werfen partout keine Sechs.
Guttenberg startet ins neue Amt, als die Wirtschaftskrise, die auf das Erdbeben
an den Finanzmärkten
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