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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes
Autoren: Ulrike Renk
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klang bedrohlich. Ich wusste nicht,
     was ich antworten sollte. Egal, was ich sagte, er hatte sowieso vor, mich umzubringen. Ich schloss die Augen. Dann, lieber
     Gott, dachte ich, lass es wenigstens schnell gehen. Bitte, erspar mir die Qualen.
    |260| »Ich weiß nicht, wo er ist«, flüsterte ich zurück. »Steht denn sein Wagen noch auf dem Parkplatz?«
    Ruckartig schaute Langenfeld nach rechts. Doch von hier unten aus war der Bergkamm nicht zu erkennen. Er stieß mich vorwärts
     über ein Stück Wiese. Wir kamen zu einer kleinen Treppe, die vier oder fünf Stufen nach unten führten. An der Seite des Hauses
     war aus Glasbausteinen eine Art Gang gebaut worden, der zur Eingangstür führte. Davor blieben wir stehen. Immer noch hatte
     er mit der linken Hand meine Haare gefasst, in der rechten hielt er das Messer. Nun zog er die rechte Hand nach vorne, an
     meine Kehle. Ich spürte die kalte Klinge auf der Haut. So hatte ich schon einmal gestanden, doch da waren lauter Gefängniswärter
     in meiner Nähe gewesen. Mein Atem wurde flach, mein Puls beschleunigte sich. Hinter meinen Schläfen pochte das Blut, der Kopfschmerz
     wurde schier unerträglich.
    Gleich wirst du ohnmächtig, Conny, sackst zusammen, und das Messer wird automatisch in deinen Hals fahren. Reiß dich zusammen,
     befahl ich mir. Atme, Conny, atme! Trotzdem konnte ich nur flach Luft holen. Wieder sah ich die gleißenden Lichtpunkte vor
     meinen Augen.
    »Tritt die Tür auf!«, zischte er mir ins Ohr. Er war ganz dicht hinter mich getreten, ich konnte die Hitze seines Körpers
     spüren. Die Situation schien ihn zu erregen.
    O Gott, bitte, nicht das!, dachte ich. Robert, wo bist du?
    »Was?«, fragte ich.
    »Tritt die Tür auf! Sie hat ein Schnappschloss, ich habe es aufgelassen. Wenn er es nicht verschlossen hat, springt die Tür
     auf. Nach innen.«
    »Ich soll dagegen treten?«
    »Mach!«
    Was, wenn Robert nun hinter der Tür mit gezogener Waffe stand und schoss, sobald die Tür aufflog? Er konnte nicht wissen,
     dass Langenfeld mich als Schutzschild benutzte. Aber ich hatte keine Wahl. Zaghaft hob ich den Fuß.
    »Mit aller Wucht! Mach! Los!« Seine Muskeln spannten sich |261| an. Mir wurde schlecht. Ich kniff die Augen zusammen, trat gegen die Tür. Sie flog auf, krachte gegen die Wand, schwang zurück.
    »Noch mal – weniger heftig!« Er drückte das Messer fester gegen meinen Hals. Ich würgte, trat gegen die Tür. Sie blieb auf
     halbem Weg stehen. Aber hinter der Tür konnte niemand sein, so wie sie gegen die Wand geknallt war.
    Langenfeld starrte in den Raum, zögerte einen Moment, stieß mich dann nach vorne.
    »Geh. Langsam.«
    Ich ging langsam, einen Schritt nach dem nächsten, ertastete die Schwelle, ging weiter. Es war finster und roch muffig, Staub,
     aber auch süßlich und faul. Ähnlich wie in der Kapelle, aber nicht so penetrant.
    An der Tür hielt er mich wieder zurück, schien zu wittern, wie ein Jäger, der die Spur aufnimmt. Nur unser beider Atem war
     zu hören und der Wind, der draußen durch die Bäume fuhr. Irgendwo bellte plötzlich ein Hund. Ich fuhr zusammen. Es war nicht
     Charlie, er bellte anders.
    Langenfeld verharrte eine Weile, stieß mich dann wieder an.
    »Nach links. Da ist eine weitere Tür.« Wir tasteten uns weiter vor, ich setzte einen Fuß vor den anderen. Meine Blase war
     auf einmal prall gefüllt. Ich kniff die Muskeln zusammen, versuchte mich zu beherrschen. Ein Wimmern entfuhr mir, ohne dass
     ich es kontrollieren konnte. Abrupt riss Langenfeld mich zurück.
    »Wovor hast du solche Angst?«
    »Vor allem.« Mein Hirn raste, ich durfte ihm keinen Hinweis darauf geben, dass ich ahnte, dass Robert bewaffnet war. »Es ist
     dunkel. Und es ist ein altes Haus. Ich leide unter einer Spinnenphobie. Dagegen kann ich nichts tun«, zwang ich mich zu sagen.
     Es kam gepresst hervor, und ich lauschte auf seinen hektischen Atem. Würde er mir glauben?
    »Du hast Angst vor Spinnen?«
    »Todesangst.«
    |262| Er lachte leise, aber rau. »Gut zu wissen. Weiter. Es sind nur ein paar Schritte.«
    Ich ging weiter. Stieß mit der Fußspitze gegen eine Schwelle.
    »Hier?«
    »Eine Tür.« Mit der rechten Hand tastete er nach vorne, fasste den Türgriff, drückte ihn herunter. Es war die Hand mit dem
     Messer, aber er agierte zu schnell, als dass ich hätte reagieren und mich aus seinem Griff befreien können. Kaum hatten wir
     den Raum betreten, spürte ich wieder den Stahl an meiner Kehle.
    »Warte«, befahl er. Wir beide
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