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Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Titel: Löwenherz. Im Auftrag des Königs
Autoren: Richard Dübell
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sogar schon auf dem Weg hierher.«
    »Wilfrid de Kyme liegt auf dem Grund des Mittelmeers«, sagte Diane. »Wenn er zurückkehrt, dann höchstens als Geist. Meine Bitte um eine Heiratserlaubnis habe ich schon abgeschickt. König Richard wird sie mir erteilen, sobald er die Krone trägt. Und was Brida betrifft: Wenn ich noch einmal höre, dass du bei der Hexe warst, lasse ich sie aus Kyme fortpeitschen und stecke dich nicht nur vier Wochen, sondern vier Monate zu den Gänsemägden. Haben wir uns verstanden?«
    Sie wandte sich Victor zu. Dieser hielt geziert die linke Hand in die Höhe. »Lady Diane?«
    Diane legte ihre Rechte auf Victors Handrücken, dann stolzierten sie aus dem Saal.
    Bruder Brion wollte Edith die Hand reichen, um sie zu trösten, aber sie lief zum Fenster, lehnte sich an die Mittelsäule und ließ ihren Tränen freien Lauf.
    Das war das Ende! Nicht nur ihre Mutter, sondern Gott und alle Heiligen mussten sich gegen sie verschworen haben, dass ihr dieses Schicksal zugedacht war. Wie konnte sie, die selbst unter Zwang hatte heiraten müssen, ihrer Tochter das Gleiche zumuten?
    Diane war immer kaltherzig zu Edith gewesen, als wäre die Tochter die Verkörperung jenes Unglücks, das ihr in Wilfrid begegnet war, die Frucht einer ungewollten Vereinigung. Vielleicht war sie deshalb regelrecht froh, Edith loszuwerden? Oder war vielleicht ihr Wunsch, sich endlich mit ihrer Jugendliebe Victor zu verbinden, stärker als alles andere, stärker als selbst die Verantwortung für ihre Tochter? War das die Liebe, von der die Troubadoure am Königshof sangen? Bedeutete Liebe, dass man verzichten musste, wenn die Politik oder der Stand es befahlen? Und dass man zum egoistischen Ungeheuer wurde, wenn einem schließlich das Ersehnte zufiel, nur um es zu behalten?
    Eins war sicher: Wenn das Liebe war, dann wollte Edith sie nie erleben.

4
    A m Morgen hatten Edith und Robert den großen Saal für sich allein, wenn man vom Gesinde und den Burgmannen absah. Sie dienten dem Haus Kyme als Soldaten und Wächter und waren Victor allesamt treu ergeben. Mit Wein und neuen Waffenröcken hatte er sie auf seine Seite gebracht. Wer gerade keinen Dienst hatte, saß auf einer Fensterbank und spielte Mühle. Edith betrachtete die Männer mit unverhohlenem Abscheu, weil sie Lord Wilfrid die Treue gebrochen hatten. Doch im Grunde wusste sie nur zu gut, dass sie als Knechte keine Wahl hatten, als dem neuen Herrn zu dienen. Und ging es ihr und Robert etwa anders? Der Wind wehte ihnen ins Gesicht, seit ihr Vater fort war. Mussten sie sich ihm nicht ebenso beugen?
    Roberts Lage war dabei noch schlimmer als ihre eigene. Zwar blieb er vorerst der Erbe von Kyme, doch wenn Diane und Victor eigene Söhne bekamen, würde er ihnen im Weg stehen. Sicherlich würde niemand ihm etwas antun: Die Übergriffe von Victors Knappen beim Übungskampf waren Bosheit gewesen, nicht der Versuch, Robert zu beseitigen. Es gab viel elegantere Wege, ihren Bruder loszuwerden. So wie Edith durch eine Hochzeit aus Kyme entfernt werden sollte, konnte Robert gezwungen werden, in ein Kloster einzutreten. Als Mönch würde er in der Erbfolge keine Rolle mehr spielen. Und wenn die Morgengabe an das Kloster großzügig genug war, würde der Abt gnädig darüber hinwegsehen, dass der Novize sich mit Händen und Füßen gegen seine Berufung wehrte.
    Was tun?, fragte Edith sich erbittert, während sie lustlosden Haferbrei löffelte, den die Küche im Erdgeschoss zum Morgenmahl zubereitet hatte. Soll ich mich bei Victor einschmeicheln? Nie im Leben! Ein solcher Plan wäre ohnehin zum Scheitern verurteilt. Victor saß im gemachten Nest, er hatte es nicht nötig, Rücksicht auf ungeliebte Stieftöchter zu nehmen.
    »Wir müssen an den Hof von König Richard«, murmelte Robert in seinen Brei. Missmutig rührte er darin herum. Die Haut an seiner rechten Hand war an den Knöcheln aufgeplatzt. Deshalb hielt er den Löffel in der Linken so fest, als umklammerte er einen Dolch. Auch er schien nervös, aber immerhin war er klug genug gewesen, den Zorn über seine Misshandlung durch den Knappen einfach hinunterzuschlucken.
    Als Diane ihn gefragt hatte, was mit seiner Hand passiert sei, hatte er nur etwas Ausweichendes gebrummelt. Ihm war wohl klar, dass niemand seine Beschwerde ernst nehmen würde.
    »Wir müssen verhindern, dass Papa für tot erklärt wird«, fuhr er fort. »Dann können Victor und Mama schon mal nicht heiraten. Und jedes ihrer gemeinsamen Kinder wäre ein Bastard und
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