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Loecher, noch und noecher

Loecher, noch und noecher

Titel: Loecher, noch und noecher
Autoren: Manfred Rebhandl
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verbliebenen halben Kraft aus dem Schneehaufen heraus auf die geräumte Straße und wischt mit der flachen Hand schwach über den Mopedsitz. Dann steckt er seine gewaltigen Pratzen in ein Paar gewalkte Fäustlinge, was ihm früher auch nie in den Sinn gekommen wäre, und rüttelt sanft wie ein Engel am Rückspiegel, anstatt dass er wie früher stark und rücksichtslos mit der nackten Faust dagegen schlägt, sodass der Rückspiegel zittert wie der Delinquent vorm Genickschuss und sich selbst vom Schnee befreit.
    Wie der Biermösel dann aber den Windschutz an seiner Fips anschaut, kann und will er sich dann doch noch nicht mit der breiten verweichlichten Volksmasse verbünden und zu allem ,Ja und Amen‘ sagen. In einem kurzen äußerlichen Aufbäumen drischt er mit der Faust dagegen wie früher der Ali gegen den Kiefer vom Joe Frazier, und dann wackelt der Windschutz endlich eine halbe Ewigkeit lang wie der Zitteraal und beruhigt sich erst wieder, wie der Biermösel ihn zufrieden mit dem ausgestreckten Zeigefinger stoppt.
    „Herrlich!“, denkt sich der Biermösel. Dieses kurze Aufflackern von nackter Gewalt hat ihm jetzt gut getan und ihn an vergangene Kraft und Größe erinnert. Aber kaum hat er den rechten Haken platziert, gähnt er schon wieder wie das Nilpferd im Okowango-Delta, und er fragt sich:
    „Verweichlichung, Verweichlichung, bin ich denn überhaupt schon der König der Verweichlichung?“
    Was ist denn eigentlich los auf der Welt, hadert er mit sich und der Welt, dass die Verweichlichung gar so um sich greift und er sich als Gendarmerie nur noch mit gestohlenen Goldhauben herumschlagen muss, während das Kaptialverbrechen, der Eifersuchtsmord, der Raub und die Stammesfehde aus niedrigen Beweggründen außen vor bleiben? Was sind denn das überhaupt für Leute, die Goldhauben stehlen, fragt er sich fassungslos. Schleichen sie jeden Tag unter seinem Fenster vorbei oder grüßen sie ihn sogar jeden Sonntag mit dem Gamshut von der Kirche her, wenn er auf der Fips daran vorbeituscht, weil er die Kirche ebenso meidet wie die Punschhütte davor?
    Sind ja alles Hypochonder heutzutage, ärgert sich der Biermösel immer wieder über alle anderen. Sind doch vom Verhalten her alle verweichlichte Bürgerstöchter in dieser Gegend. Anders bei ihm! Bei ihm sind die Probleme ehrlich und hausgemacht, da ist nichts gespielt, da ist nichts vorgetäuscht, da gibt es kein falsches „Au!“ und kein verlogenes „Weh!“, nur ehrliche und grundsolide Selbstvernichtung ohne Hang zur gesunden Ernährung. Gemüse? Geh hör auf. Obst? Schnell in den Kübel! Milch und Brot macht Wangen rot? Ist doch ihm wurscht!
    Nur mit dem depperten Windschutz haben sie ihn am falschen Fuß erwischt, wie er vor zwei Wochen ein Packerl vom Innenministerium mit schönem Gruß von der Bundesregierung bekommen hat samt dringender Aufforderung, das rotweiß-rot gestreifte Teil auf seiner Fips zu montieren, aus Gründen der Vorbildwirkung im Straßenverkehr, wie sie geschrieben haben, weil nämlich ein Gendarm kein Gartenzaun ist, der sich zuschneien lässt beziehungsweise kein Vogelhäuschen mit einer dicken Schneehaube drauf. Aber Herrgottnocheinmal, müssen sie ihm deswegen gleich einen Windschutz schicken und ihm jeden Spaß bei der Mopedfahrt verleiden?
    Wie eine komplett verweichlichte Religionslehrerin schaut er seither aus, wenn er irgendwo überraschend auf der Fips mit dem Windschutz vorne drauf um die Kurve biegt! Wer, fragt er sich, soll denn noch einen Respekt vor ihm haben, wenn er so deppert daher kommt? Mit einem Windschutz auf seinem Bronco vorne drauf hätte auch der John Wayne keinen Indianer in die Hose scheißen lassen! Der hat sich auch nur seinen Schnäuzfetzen vor den Mund gehalten, wenn er gegen den stürmischen Wind angeritten ist, das hat genügt, das hat genügen müssen. Also für was bitte braucht einer wie er einen Windschutz, wenn der John Wayne auch keinen gebraucht hat?
    Da zieht der Biermösel die orangene Schibrille von der Ackerbau- und Viehzuchtbank, Modell Lake Placid '80, aus seinem Hosensack heraus und stülpt sie sich über die Pudelhaube auf die markante Nase. Er hat jetzt einfach keine Kraft mehr, dass er gegen den Windschutz rebelliert und vielleicht als Speerspitze den Kampf gegen die Verweichlichung anführt. Die Fußtritte, die Negerbussis und Gnackwatschen, die immense Komplettrage samt der Biermöselschen Extraspezialpädagogik hinten am Schießstand vom Auerhahn, die ihn früher ausgezeichnet hat
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