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Loecher, noch und noecher

Loecher, noch und noecher

Titel: Loecher, noch und noecher
Autoren: Manfred Rebhandl
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– all das fällt auch ihm immer schwerer, sodass der heroische Kampf gegen die immer weiter um sich greifende Verweichlichung der Volksmassen jedenfalls bis auf Weiteres ohne ihn auskommen wird müssen. Ihn treibt es nach Hause in den Auerhahn, wo er sich heute Früh bei der Roswitha drüben den Besoffenen Kapuziner als Nachspeise für das Nachtmahl bestellt hat. „Aber schon mit viel Schlag, du Trampel!“, hat er sie noch angeschrieen, wie er schon bei der Tür draußen war. Heiliges Kanonenrohr, denkt sich der Biermösel und legt endlich den ersten Gang ein, bei seiner Schwester hindert ihn nicht einmal die fortschreitende Verweichlichung am allzu lauten Wort. Hoffentlich kommt ihm nicht auch die noch abhanden!

Via Dolorosa
    Zitternd fährt er durch die Gassen, alles sieht so festlich aus. Aber wie es ihn schon nach kurzer Fahrt trotz Windschutz wieder komplett zugeschneit hat, sinniert der Biermösel kurz sehr grundsätzlich und sehr negativ über die nördliche Hemisphäre, in die er als kleiner Biermösel hineingeboren worden ist, also zu der ganzen depperten Sache mit dem Wetter in dieser Gegend von ihm jetzt vielleicht ein paar sehr grundsätzlich Worte:
    Der Mensch soll zwar keine Meinung haben zu dem ganzen Wahnsinn mit den vier Jahreszeiten, lehrt in diesem Land die Katholische Kirche. Er soll sich bitteschön nicht aufregen über das dauernde Hin und Her mit den Temperaturan- und Abstiegen und dem Erblühen der Bäume im Frühling und ihrem Verwelken im Herbst. Der Mensch soll „Ja!“ sagen zum Hitzestau im Sommer und „Nur her damit!“ zum Permafrost im Winter, weil der Herrgott alleine weiß, was wettermäßig zu tun ist. Aber der Winter geht dem Biermösel so furchtbar auf die Nerven, dass er seinen Wetterfleck um die Erde hauen könnte, wenn er nur an die Frau Holle denkt.
    Jedoch! Sosehr er auch als Privatier den Winter ablehnt, sosehr favorisiert er ihn als Gendarmerie, weil im Winter infolge der klirrenden Kälte auch bei den Panzerknackern der Langfinger einfriert, weil beim gewaltigen Schneesturm auch der zielsicherste Amokläufer nicht einmal mit der Schrotflinte trifft, und weil im Winter sogar die seit Jahrzehnten verfeindeten und nur noch im gegenseitigen Hass verbundenen Eheleute das unausweichliche Massaker bis weit in den Frühling hinaus verschieben, weil sie sich bei der Saukälte dann doch lieber noch einen letzten, einen allerletzten Winter in der Schlafkammer aneinander schmiegen und wärmen, bevor sie dann bei den ersten Strahlen der Sonne im Überschwang der Frühlingsgefühle mit Küchenmesser hier und Husqvarna-Kettensäge da endgültig aufeinander losgehen und das in Gendarmeriekreisen besonders gefürchtete kombinierte Küchenmesser-Kettensägen-Massaker anrichten, nie haben der Ede Zimmermann oben in Mainz und der Biermösel herunten in Aussee weniger zu tun als im tiefsten Ausseer Winter, also eins zu null für die Saukälte, wenn man die damit einhergehenden Vorteile für die Gendarmerie bedenkt.
    Der Biermösel lenkt die Fips im tiefen vorweihnachtlichen Unfrieden mit sich selbst durch das Ortsgebiet, und ganz gegen seine Gewohntheit und seine heimliche Leidenschaft – die Eisspeedwayfahrerei! – lenkt er sie jetzt im viel zu dosierten Schrittempo. Wie die Oma ihr Einkaufswagerl, hat er sein Dienstfahrzeug vorher immer wieder anschieben und den ersten Gang einwerfen müssen, und erst nach gefühlten fünftausend Metern Schinderei ist der Motor dann endlich angesprungen, es nützt halt einfach nichts: Die Fips, der Windschutz und er ergeben keine harmonische Dreifaltigkeit, er kommt mit dem Windschutz vorne drauf einfach überhaupt nicht mehr in die Gänge. Der Windschutz hemmt das Fahrerlebnis, er raubt ihm die Sicht für die gewagten Fahrmanöver und lässt seinen Wetterfleck nicht wie gewohnt im Fahrtwind flattern. Vor allem aber verunmöglicht er die gewisse Aerodynamik, ohne die das Mopedfahren einfach keinen Spaß macht. Hat er sich früher wie der Eisspeedwayfahrer in die Kurven gelegt, kriecht er heute dahin wie der Sieche in Richtung Tod, und je öfter er in seinem Leben dem Weihnachtsfest mit seinen ganzen Verheerungen insbesondere auch im visuellen Bereich entgegenrobbt, desto mehr verlässt den Biermösel die Kraft und desto öfter wünscht er sich, dass er mit dem Alten drüben im Sterbeheim in Goisern tauschen könnte, wo sie seinen Körper nach und nach abräumen wie einen Christbaum und ihm alles abschneiden, was frührer an ihm dran war, es ist
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