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Loecher, noch und noecher

Loecher, noch und noecher

Titel: Loecher, noch und noecher
Autoren: Manfred Rebhandl
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kleine Vorausleistung für einen gelungenen Heiligen Abend zu zweit. Und wie die Roswitha ihn dabei herumscheißen und den Baum immer brutaler ins Loch hinein schieben sieht, hinein und wieder heraus und wieder hinein, bis er die Rotbuche mit der Silbertanne beinahe spaltet, da freut sie sich schon auch ein bisserl darauf, dass er sie heute nach der Bescherung am Hintergestell einschmieren wird. Und weil die Vorfreude die schönste Freude ist, tut auch sie ihm einen Gefallen, um den er sie schon lange gebeten hat: Mit einem eleganten Schwinger aus der rechten Hüfte heraus stellt sie ihm die gusseiserne Bratpfanne ins Gesicht, sodass es ihm den Problemzahn endlich heraushaut und sich zusammen mit dem Zahn auch der Schmerz verabschiedet.
    „Siehst du!“, schreit er sie zufrieden an: „Wir harmonieren doch eh!“
    Wie der Biermösel dann die Weihnachtsgans, die selbstverständlich ein Schweinsbraterl war, verschlungen hat und dann noch ein bisserl deppert in seinem Winkerl auf seinem Schafwollpolsterl herum sitzt und sich dabei zufrieden die Kerzen am Christbaum anschaut; wie er dabei ein gewaltiges Junggesellenlied nach dem anderen in die Stube hinein bläst, welche die Flammen an den Kerzen am Baum zum Lodern bringen und sie beide explodieren lassen, da hört er dann endlich wieder, was er die letzten Tage so schmerzlich vermisst hat, und jetzt endlich ist er sich sicher, dass die häusliche Routine endgültig zurückgekehrt ist:
    „Kommst du dann?“ schreit die Roswitha aus ihrer Kammer herunter. „Kommst du dann und schmierst mich ein?“
    „Freilich komm ich!“, schreit der Biermösel zurück. „Freilich komm ich und schmier dich ein!“
    Dann löscht er mit einem gewaltigen Trompetenstoß die Kerzerl am Christbaum und sagt zu dem depperten Kaktus mit seinen grünen Silbertannennadeln:
    „Nur damit wir uns richtig verstehen: Morgen schon werd ich mit dir die harten Schweinswürste selchen!“ Und als kleinen Vorgeschmack darauf reißt er der Silbertanne auf der einen Seite alle Zweigerl ab und steckt sie in den Ofen, so dass es schön raucht.
    Wie er dann in die Kammer hinauf kommt, steht die Roswitha in ihrem rosaroten Flanellnachthemd beim Fenster und schaut hinunter auf den Schießstand hinterm Auerhahn.
    „Mhm“, denkt sich der Biermösel, und es läuft ihm das Wasser im Mund zusammen: „Wie eine Mon Chéri schaut sie aus. Nicht mehr fabriksneu zwar, aber auch noch nicht ganz abgelaufen. Da rinnt ihm gleich das Wasser im Mund zusammen, und er will den Krapfen der Unversöhntheit in seinem Scheißhaus nicht mehr länger anschauen, sondern den Spülknopf der endgültigen Versöhnung drücken, ganz so, wie es ihm der Doktor Krisper geraten hat:
    „Der Shubidu Jack ist tot“, sagt der Biermösel einfühlsam, „aber falls es dich tröstet: Er ist mit einer Karte von dir in seinen Händen gestorben.“ (Dass er sich mit Gedanken an sie umgebracht hat, das will er ihr dann aber lieber verschweigen, man muss im Leben nicht alles aussprechen, wie er seit seinem Debakel bei der Anni weiß – aus Schaden ist sogar er noch klüger geworden.)
    Aber die Roswitha sagt nur verträumt: „Ich weiß eh.“
    Dann winkt sie ihn zu sich und deutet mit dem Finger beim Fenster hinaus, hinunter zu den Buchenscheiterstößen.
    „Siehst du den Engel da unten?“, fragt sie ihn.
    Da sieht auch der Biermösel das blondgelockte Mädchen im grünen Wetterfleck da draußen, wie es zwischen den Türmen umherirrt, sie mit großen ängstlichen Augen anstarrt und immer wieder „Nowaja Semlja?“ flüstert. Dabei hebt es fragend die Hände, sodass es im schwachen Lichterschein wirklich ausschaut, als hätte es darunter Flügerl –
    „Nowaja Semlja?“
    „Geh Roswitha!“, sagt der Biermösel ganz kühler Spielverderber und fantasieloser Holzschädel. „Das ist doch nur die platinblonde Russin, die der Puffkaiser Schlevsky im Spätherbst importiert hat und die jetzt ihren Weg nach Hause nicht mehr findet.“
    Aber die Roswitha ist sich sicher:
    „Das ist der Shubidu Jack in Engelsgestalt, der seinen Weg in den Himmel nicht findet, weil er lieber bei mir sein möchte.“ „Und was soll dann bitte ,Nowaja Semlja‘ heißen?“, fragt der Biermösel blöd wie der Derrick und lästig wie die Seebachwirtin.
    „Das ist Engelssprache und heißt ,Frohe Weihnachten“, weiß die Roswitha.
    Na bumsti, denkt sich der Biermösel. Vielleicht hat er seine Schwester ja wirklich komplett unterschätzt, und sie kann nicht nur Gedichte
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