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Lockvögel

Lockvögel

Titel: Lockvögel
Autoren: A. A. Fair
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nicht sagen. Aber wenn Doris das behauptet — sie ist ein Mädchen von großer Wahrheitsliebe, und sie beobachtet auch sehr genau.«
    »Jetzt möchte ich Ihnen gegenüber einmal mit offenen Karten spielen, Miss Deshler«, sagte Dale. »Wenn Holgate auf meinen Wagen aufgefahren ist, mich in den Straßengraben gestoßen hat und dann auf und davon fuhr, dann ist das ein Verbrechen; es ist ein eindeutiger Fall von Fahrerflucht. Verstehen Sie das?«
    »Ja, natürlich.«
    »Wenn nun jemand sich mit ihm zusammen darauf einläßt, diesen Tag zu vertuschen, damit er seiner Bestrafung entgeht, dann ist das ein Fall von Begünstigung. Die betreffende Person wird zum Komplicen nach der Tat und kommt damit mit einer Reihe von Paragraphen im Strafgesetzbuch in Konflikt. Es ist dann nicht nur Beteiligung an einem Verbrechen als Komplice, sondern auch noch verbrecherische Verschwörung. Verstehen Sie das, Miss Deshler?«
    Sie befeuchtete ihre Lippen mit der Zungenspitze.
    »Ja«, sagte sie nach kurzem Zögern.
    »Haben Sie unter diesen Umständen mir gegenüber irgendeine Aussage zu machen, Miss Deshler?«
    »Ich... ich weiß, daß... Bitte, lassen Sie mich einen Augenblick nachdenken. Es tut mir leid, aber würden Sie mich einen Augenblick entschuldigen? Ich habe mich in der letzten Zeit nicht sehr wohl gefühlt. Ich gehe nur mal zum Badezimmer und bin gleich wieder da.«
    Sie stand auf und verschwand in einem anderen Raum.
    Dale gab mir einen Wink, stand auf und schlich auf Zehenspitzen zu der Tür, die sie hinter sich geschlossen hatte. Er nahm einen kleinen Apparat mit einem Mikrophon aus der Rocktasche, hielt ihn gegen die Tür, steckte winzige Kopfhörer in die Ohren, drückte auf einen Schalter und lauschte.
    Ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
    Er gab mir noch einmal einen Wink und lauschte wieder etwa zwei bis drei Minuten.
    Plötzlich riß er sich die Kopfhörer aus den Ohren, nahm das Mikrophon von der Tür ab, steckte es in die Tasche und eilte auf Zehenspitzen zu seinem Sessel zurück.
    Kaum hatte er es sich bequem gemacht, als auch Vivian wieder ins Zimmer trat. »Entschuldigen Sie bitte, daß ich Sie warten ließ. Aber meine inneren Organe sind seit einiger Zeit in nervöser Unruhe und — nun, ich hoffe, Sie werden mir mein wenig damenhaftes Verhalten verzeihen.«
    »Aber ich bitte Sie, ich habe volles Verständnis dafür.«
    »Was war es doch, was Sie wissen wollten, Chef?«
    »Einzelheiten über den Unfall.«
    »Ach ja. Wissen Sie, ich habe Aussagen gegenüber der Polizei gemacht. Dann habe ich gegenüber der Versicherung neue Aussagen machen müssen. Ich... ich habe so viele Aussagen gemacht, daß mir der ganze Unfall zum Hals heraushängt. Ich werde Ihnen etwas sagen: Ich bin bei diesem Unfall verletzt worden. Man hat mir gesagt, daß diese Verletzung ernsthafte Folgen haben könne, obwohl sie äußerlich nicht sichtbar sei. Ich habe mich entschlossen, den Schaden selbst zu tragen. Ich werde meinen Schadenersatzantrag bei der Versicherung zurückziehen und die Sache vergessen. Ich muß verreisen, um etwas Ruhe zu finden. Mein Arzt ist der Ansicht, vollständige Ruhe ohne jede Sorge und Aufregung werde viel dazu beitragen, mich wieder ganz herzustellen. Das will ich auch befolgen.«
    Sie sah zu mir herüber. Ich drehte meine Arme so, daß das Licht sich hell in den Handschellen spiegelte. Sie war von diesem Anblick wie fasziniert.
    »Das ist alles ganz schön und gut«, sagte Dale. »Ich hoffe sehr, daß Sie wieder ganz gesund werden. Ich muß Ihnen aber gestehen, Miss Deshler, daß mir an der Lösung dieses Falles sehr viel liegt.
    Sehen Sie, mein Wagen wurde von einem Fahrer, der dann Fahrerflucht beging, in den Graben gestoßen. Ich habe jetzt Grund zur Annahme, daß Carter Holgate dieser Fahrer war und daß er diesen rein imaginären Unfall mit Ihrem Wagen dazu benutzte, sich zu decken und seinen Unfall zu vertuschen.«
    »Was meinen Sie mit imaginärem Unfall?« fragte sie. »Warum soll er nicht am gleichen Tag zwei Unfälle gehabt haben? Wenn er betrunken war —«
    »Ich meine genau das, was ich sage«, antwortete Dale. »Ich meine, daß der Unfall imaginär, also vorgetäuscht war.«
    »Na, das ist ja allerhand«, antwortete sie entrüstet. »Wollen Sie behaupten, daß ich lüge?«
    »Genau das, offen gesagt«, erwiderte Dale. »Ich behaupte, daß Sie vorsätzlich lügen, Miss Deshler. Ich beschuldige Sie, den Unfall vorgetäuscht und sich mit Holgate in eine Konspiration
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