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Locke greift an

Locke greift an

Titel: Locke greift an
Autoren: Ulli Potofski
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muss ich schon wieder … die Leute hier warten auf mich …«
    Er erkundigte sich noch schnell, ob die Finalkarten daheim angekommen wären, denn der DFB hatte auch für das Endspiel jedem Spieler Tickets zur Verfügung gestellt, diesmal waren es sechs, und das passte in Lockes Fall ideal. Pfarrer Kelter, seine Eltern, Evas Eltern und natürlich Eva selbst würden im riesigen Dortmunder Stadion am Sonntag um drei Uhr auf der Tribüne sitzen können … Eva bestätigte
den Eingang der Karten bei seinen Eltern, dann war die Zeit zum Telefonieren endgültig um.
    Das »kleine« Endspiel, von dem Locke gesprochen hatte, fand in Berlin statt, und es endete an diesem Samstag mit einem 2:0-Erfolg von Schottland über Russland. Die Schotten bekamen also die bronzene Medaille der UEFA umgehängt. Vierzigtausend Zuschauer waren nochmals ins Olympiastadion gepilgert.

15
    D er 18. Mai 2008. Der Tag der Entscheidung. Es war ein unglaublich schöner Morgen. Ein Sonntag wie gemalt. Pfarrer Kelter hatte in seiner Gemeinde nur den Frühgottesdienst abgehalten und dann einen Kollegen gebeten, den Kirchendienst zu übernehmen. In seiner Predigt hatte er sogar das Thema Fußball verarbeitet.
    »Mein Chef« - und damit meinte er den lieben Gott - »ist bestimmt auch ein Fußballfan …« Er sagte es mit einem entschuldigenden Lächeln, und alle in seiner Gemeinde verstanden ihn …
    Kelter putzte sich richtig raus. Ein dunkler Anzug mit einer wunderschönen blauen Krawatte sollte dem Anlass gebührend sein. Kurz vor zwölf holte ihn die restliche Truppe mit dem großen Geländewagen von Evas Vater, der am Steuer saß, ab. Das riesige Auto hatte acht Sitzplätze.
    »Zumindest den Zahnärzten scheint es in Gelsenkirchen gut zu gehen«, murmelte der Pfarrer vor sich hin, sodass es nur Eva hören konnte. Die konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, denn dieser Satz von Kelter erinnerte sie an ihr gestriges Gespräch mit Locke.
    Über die A42 ging es nun nach Dortmund. Schon aus der Ferne war das Westfalenstadion zu sehen. Weit ausladend begrüßte dieser Koloss unter dem großen Fernsehturm die Menschen. Über achtzigtausend Zuschauer passten in diese Fußballoper und sie war ausverkauft. Über ein Drittel Türken waren darunter, was niemanden verwunderte, denn im Ruhrgebiet leben schon seit vielen Jahren Hunderttausende von Menschen aus der Türkei.

    Die Stimmung in Berlin zur Eröffnung der EM war ja schon super, doch hier in Dortmund steigerte sie sich noch um ein Vielfaches. Die Fans aus Gelsenkirchen staunten.
    Pfarrer Kelter war so baff, dass ihm nichts anderes einfiel als: »Hier ist mehr los als auf dem Kirchentag!« Bei den vorzüglichen Tribünenplätzen angekommen, begrüßte sie Franz Beckenbauer wie alte Bekannte. Vater Schubert begegnete diesmal der Fußball-Ikone nicht so überrascht und ehrfurchtsvoll wie bei ihrem letzten Zusammentreffen.
    »Mit Ihnen kann man sich ja nirgendwo blicken lassen, Herr Kaiser, ähm, Entschuldigung, Herr Beckenbauer, natürlich«, meinte er freundlich-respektlos. »Schon stehen komische Sachen darüber in der Zeitung.«
    »Was meinen Sie, was ich schon alles über mich in der Presse lesen durfte, was nicht stimmte.« Beckenbauer musste lachen. »Aber ich kann wirklich nicht mit Ihnen über einen Wechsel Ihres Sohnes nach München sprechen?«
    Jetzt war es an Lockes Vater, zu lachen. Aber es klang unsicher, denn er wusste nicht recht, ob diese Frage vielleicht doch ernst gemeint war. Vorsichtshalber antwortete er nicht.
    Die deutsche Mannschaft, das war allgemein bekannt, konnte erneut unverändert spielen, und auch die Türkei war ebenso angekündigt wie beim Eröffnungssieg gegen Deutschland. Kurz nach zwei waren beide Teams erstmals auf dem Platz, um sich den Rasen anzusehen. Die Mannschaften hatten ja schon mehrfach vor großen Kulissen agiert, aber das, was sich hier abspielte, ließ den meisten Spielern doch den Atem stocken. Allein auf der Südtribüne standen zwanzigtausend Fans. Wie eine gigantische Wand wirkten die Menschen auf den Rängen …
    Langsam wurde es ernst. Die Spieler, zuvor in ihren Trainingsanzügen,
erschienen jetzt als Mannschaftsformation in ihren tollen Anzügen, der Festbekleidung. Von der Tribüne sah es so aus, als ob eine Kolonne Banklehrlinge den Platz betreten würde. Eva erkannte in dieser Verkleidung ihren Locke zunächst gar nicht. Aber die Mütter - auch Frau Dahl war mit von der Partie - waren total entzückt.
    »Ach, solch einen Anzug sollte er öfter
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