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Lob der Stiefmutter

Lob der Stiefmutter

Titel: Lob der Stiefmutter
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Don Rigoberto und schloß hastig den Bildband The Nude von Sir Kenneth Clark, den er auf den Knien liegen hatte. Ein jäher Schrecken riß ihn mitten aus den feuchten, weiblichen Dämpfen im dichtbevölkerten Türkischen Bad des Malers Ingres und brachte ihn nach Lima, in sein Zuhause, an seinen Schreibtisch zurück. »Sie ist zum Bridgespielen bei ihren Freundinnen. Komm rein, komm rein, Fonchito. Reden wir ein bißchen.«
    Das Kind lächelte ihn an und nickte. Es kam herein und setzte sich auf den Rand des großen englischen Sessels aus olivbraunem Leder unter den dreiundzwanzig kartonierten Bänden der Reihe Les maîtres de l’amour, herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Guillaume Apollinaire.
    »Erzähl mir von der Schule«, ermunterte ihn sein Vater, während er das Buch mit seinem Körper verdeckte und es in die verschließbare Glasvitrine zurückbeförderte, in der er seine erotischen Schätze aufbewahrte. »Klappt’s mit dem Unterricht? Hast du keine Probleme mit Englisch?«
    Der Unterricht klappte prima, und die Lehrer waren bestens, Papi. Er verstand alles und führte lange Gespräche auf englisch mit Pater MacKey; er war sicher, daß er auch in diesem Jahr am Ende der Klassenbeste sein würde. Sie würden ihm vielleicht den Preis für besondere Leistungen geben.
    Don Rigoberto lächelte ihn zufrieden an. Wirklich, dieser Kleine machte ihm nichts als Freude. Ein vorbildlicher Sohn; ein guter Schüler, folgsam, liebevoll. Er hatte Glück gehabt mit ihm.
    »Willst du eine Coca-Cola?« fragte er ihn. Er hatte sich gerade zwei Fingerbreit Whisky eingeschenkt und war mit den Eiswürfeln beschäftigt. Er reichte Alfonso sein Glas und setzte sich neben ihn. »Ich muß dir was sagen, mein Söhnchen. Ich bin sehr zufrieden mit dir, du kannst mit dem Moped rechnen, das du dir gewünscht hast. Du bekommst es nächste Woche.«
    Die Augen des Kindes leuchteten auf. Ein breites Lächeln erhellte sein Gesicht.
    »Danke schön, Papilein!« Es umarmte ihn und küßte ihn auf die Wange. »Das Moped, das ich mir so sehr gewünscht habe! Toll, Papi!«
    Don Rigoberto befreite sich lächelnd von ihm. Mit einer verstohlenen Liebkosung strich er ihm die zerzausten Haare glatt.
    »Du mußt dich bei Lukrezia bedanken«, setzte er hinzu. »Sie hat darauf bestanden, daß ich dir das Moped jetzt gleich kaufe, ohne die Prüfungen abzuwarten.«
    »Ich wußte es«, rief das Kind aus. »Sie ist sooo gut zu mir. Ich glaub, noch mehr als meine Mama.«
    »Deine Stiefmutter hat dich nämlich sehr lieb, mein Kleiner.«
    »Ich sie auch«, versicherte das Kind sogleich heftig. »Wie könnte ich sie nicht liebhaben, wo sie doch die beste Stiefmutter der Welt ist!«
    Don Rigoberto trank genießerisch: ein angenehmes Feuer lief ihm über die Zunge, durch den Hals und breitete sich jetzt zwischen den Rippen aus. ›Liebenswerte Lava‹, improvisierte er. Auf wen war sein Sohn so hübsch herausgekommen? Sein Gesicht schien von einer strahlenden Aureole umgeben, und er strotzte vor Frische und Gesundheit. Auf ihn gewiß nicht. Auch nicht auf seine Mutter, denn obwohl Eloisa attraktiv und hübsch gewesen war, hatte sie doch nicht diese feinen Züge, die klaren Augen, eine ähnlich durchsichtige Haut oder diese reingoldenen Haarlocken besessen. Ein Cherub, ein süßer Fratz, ein Erzengel wie auf den Heiligenbildchen zur Erstkommunion. Es wäre besser für ihn, wenn er als Erwachsener ein bißchen häßlicher würde: Frauen haben wenig übrig für Männer mit Puppengesicht.
    »Du glaubst nicht, wie sehr ich mich freue, daß du dich so gut mit Lukrezia verträgst«, fügte er nach einer Weile hinzu. »Das hat mir nämlich große Sorgen gemacht, als wir heirateten, jetzt kann ich es dir ja sagen. Daß ihr nicht harmoniert, daß du sie nicht akzeptieren würdest. Das wäre ein großes Unglück füruns drei gewesen. Auch Lukrezia hatte große Angst. Jetzt, wenn ich sehe, wie gut ihr euch vertragt, lache ich über diese Ängste. Ihr habt euch so gern, daß ich manchmal sogar eifersüchtig bin, weil ich denke, deine Stiefmutter hat dich lieber als mich und auch du hast sie lieber als deinen Vater.«

    Alfonso lachte laut auf, klatschte in die Hände, und Don Rigoberto tat es ihm nach, amüsiert über die gute Laune, die aus seinem Sohn hervorbrach. In der Ferne miaute eine Katze. Ein Auto mit voll aufgedrehtem Radio fuhr auf der Straße vorbei, und ein paar Sekunden lang waren die Trompeten und Rasseln einer tropischen Melodie zu hören. Dann war
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