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Liz Balfour

Liz Balfour

Titel: Liz Balfour
Autoren: Ich schreib dir sieben Jahre
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rutschte ich in der nassen Erde aus und fiel in den Dreck. Der Defender hatte mittlerweile aufgeholt und verfolgte den Braunen noch ein Stück, bis dieser am Rand der Klippe stehen blieb und sich aufbäumte. Einen Augenblick sah es so aus, als würde sich das Pferd auf die Motorhaube stürzen, aber dann drehte es sich um und galoppierte wieder in meine Richtung. Doch es kam nicht sehr weit: Ich hörte einen Knall, und das Pferd brach mitten in der Bewegung zusammen – es fiel einfach um.
    War es von dem Geländewagen bis zur Erschöpfung gejagt worden? Oder hatte gar jemand auf das Pferd – geschossen? Hatte ich wirklich etwas gehört, oder war es nur der Wind gewesen? Was ging hier vor?
    Zwei Gestalten sprangen aus dem Wagen und eilten zu
dem leblosen Pferd. Sie schienen es mit raschen Bewegungen zu untersuchen. Ihre Gesichter konnte ich nicht erkennen, sie trugen Regenjacken mit Kapuzen, die sie sich tief ins Gesicht gezogen hatten. Aber von der Statur und den Bewegungen her ging ich davon aus, dass es Männer waren. Ich wagte mich nicht zu rühren, saß regungslos im Matsch, da merkte ich, dass das Prasseln leiser geworden war. Der Regen ließ langsam nach. Trotzdem konnte ich nicht deutlich verstehen, was die Männer sagten, der Wind trieb nur einzelne Satzfetzen in meine Richtung.
    »… der Gaul lebt noch …«
    »… schnell mitnehmen … müssen uns beeilen …«
    »… frage mich, wem der gehört …«
    »… Stange Geld gekostet …«
    » … edles Tier …«
    Während ich mich aufrappelte und mir notdürftig den Schmutz von der Hose klopfte, ging einer der Männer zurück zum Wagen. Der zweite kniete weiter am Pferd. Erst jetzt sah ich, dass er eine große schwarze Tasche, die wie eine Arzttasche aussah, dabeihatte. Der erste Mann rangierte mit dem Defender und versuchte, den Anhänger näher zum Tier zu bringen, was durch die vom Regen aufgeweichte Erde nicht einfach war.
    »Gehen Sie weiter, alles in Ordnung«, rief mir der Mann mit der Arzttasche zu, als ich auf sie zustapfte. »Bleiben Sie auf der Straße, sonst stürzen Sie womöglich noch.«
    »Kann ich helfen?« Ich hatte ebenfalls meine Stimme erhoben, um den aufheulenden Motor des Geländewagens zu übertönen.

    »Nein, gehen Sie weiter. Hier ist alles in Ordnung«, wiederholte er.
    »Was ist mit dem Pferd?«, wollte ich wissen.
    »Alles gut«, sagte er, was offensichtlich gelogen war. Aus der Nähe erkannte ich erst, wie abgemagert der Braune war. Was ging hier vor?
    »Sind Sie Tierarzt?«
    »Hören Sie, wir haben hier zu tun, okay?« Er klang jetzt gereizt.
    Aus dem offenen Wagenfenster hörte ich die Stimme des anderen Mannes: »Gehen Sie nach Hause.« Mehr ein Befehl als ein Vorschlag.
    Ich wollte etwas antworten, aber ich brachte, als ich sein Gesicht sah, kein Wort heraus. Ich war wie vom Blitz getroffen. Dieser Mann … ich kannte ihn! Und ich verband etwas mit ihm. Doch die Erinnerung drang nicht an die Oberfläche. Sie schien tief verschüttet zu sein, zu tief für den Augenblick. Ich konnte nicht einmal sagen, ob ich gute oder schlechte Erinnerungen an ihn hatte. Oder vielleicht sah er nur jemandem ähnlich? Aber wem? Er schien mich nicht wiederzuerkennen, sah mich aber auch nicht richtig an, denn er war damit beschäftigt, den Wagen aus einer Matschrinne frei zu bekommen.
    »Na los, machen Sie schon. Oder wollen Sie noch eine Ladung Dreck von den Reifen abbekommen?«, rief er und drückte das Gaspedal. Die Reifen drehten durch, und ich sprang panisch einen Meter zurück.
    »Hey!«, schrie ich.
    Er lachte, sein Freund ebenfalls. Der Braune lag am Boden und bewegte sich nicht.
    Hier ist doch etwas faul, dachte ich. Diese Typen haben
ein Pferd bis zur Erschöpfung gejagt, und jetzt wollen sie es mitnehmen. Das Pferd gehört ihnen offensichtlich nicht, aber es scheint ein wertvolles Tier zu sein. Möglicherweise war es krank, vielleicht hatte man es sogar misshandelt? Kurz gesagt: Sauber war die Sache nicht, das war mir klar. Ich hatte jedoch keine Lust, mich wegen eines Tieres unnötig in Gefahr zu bringen. Nachdem ich mir das Kennzeichen des Defenders eingeprägt hatte, folgte ich dem Rat der Männer und setzte meinen Weg durch den kalten Mairegen fort.
     
    Gefühlte drei Stunden später (in Wirklichkeit waren es wohl zehn Minuten) stand ich vor Emerald Cottage. Es schmiegte sich in malerischer Einsamkeit an den Abhang. Die Küste war hier immer noch steil, erst eine Meile weiter nach Westen senkte sie sich in sanften Terrassen zum
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