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Liz Balfour

Liz Balfour

Titel: Liz Balfour
Autoren: Ich schreib dir sieben Jahre
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da ist, macht der keine Fahrten, das kannst du mir glauben. Na ja, und dann ist da noch Steve …«
    »Ja?«
    »… aber der hat eben angerufen, weil er mit dem Wagen liegen geblieben ist.«
    »Einen Bus gibt’s wohl immer noch nicht?«
    »Nicht zu deiner Mutter, nein.«
    »Und hier fährt auch zufällig keiner in diese Richtung ?« Ich sah mich im Pub um.
    Gerry schüttelte den Kopf. »Wenn hier einer von denen
mit dem Wagen gekommen wäre, würde ich ihm persönlich den Schlüssel abnehmen.« Er sah mich ernst an. »Da kannst du dich drauf verlassen.«
    Ich wusste, was er meinte: Mein Vater war vor zehn Jahren von einem Betrunkenen überfahren worden.
    »Dann muss ich wohl laufen«, sagte ich und stand seufzend auf.
    »Warte doch noch hier«, schlug Gerry vor, »vielleicht hat sie die Uhrzeit verwechselt.«
    Aber ich hatte keine Geduld mehr. Ich wollte wissen, warum mich meine Mutter so lange warten ließ und warum sie nicht ans Telefon ging. Ob sie krank war? Ich verwarf diesen Gedanken gleich wieder. Deirdre war erst sechzig und hatte nie in ihrem Leben gesundheitliche Probleme gehabt. Aber vielleicht hatte sie mit dem Wagen eine Panne gehabt?
    Ich erzählte Gerry von meinen Befürchtungen, und er rief seinen Kumpel Dan an, der in der Gegend die einzige Werkstatt mit Abschleppdienst hatte. Dan wusste von keinem Unfall, und die Nachricht beruhigte mich etwas.
    Dennoch beschloss ich aufzubrechen. Ich schlug den Kragen hoch und machte mich am vermutlich kältesten, nassesten Tag im irischen Mai seit Einführung des Gregorianischen Kalenders auf den Weg. Es war nicht sehr weit bis Emerald Cottage, und der Blick über die Steilküste auf die Keltische See und Ringabella Bay war bei jedem Wetter atemberaubend. Aber anderthalb Meilen im strömenden, windgepeitschten Regen in nicht wirklich funktionaler Kleidung – es gab so einige Dinge, die ich lieber tat.
    Nach zwei Minuten konnte ich das Regenwasser überall auf der Haut spüren, und ich fragte mich, ob mein
Rollkoffer gerade genauso volllief wie meine Stiefel. Dabei machte ich mir weniger Sorgen um die Kleidung, die ich sorgfältig zusammengefaltet hatte. Vielmehr quälte mich der Gedanke, meine Unterlagen und mein Laptop könnten Schaden nehmen. Schon hatte ich Albtraumvisionen, wie ich in dem winzigen Cottage meiner Mutter hockte, der Laptop ruiniert, die Dokumente durchweicht und unleserlich, das Handy abgesoffen. Wie Mutter und ich uns anschwiegen, weil wir uns wie so oft schon gestritten hatten, und auf die Uhr starrten, bis es endlich Zeit war, dass ich den Rückweg zum Flughafen antreten konnte. »Hoffentlich kommt es anders«, murmelte ich vor mich hin.
    Das Klappern von Pferdehufen wischte die trübsinnigen Bilder aus meinem Kopf. Ich fragte mich, wer so wahnsinnig war, bei diesem Wetter auszureiten. Da es schon seit Stunden schüttete, konnte es kaum ein Reiter sein, der vom Regen überrascht worden war. Ich drehte mich um und sah – nichts. Ich hörte nur das Klappern. Vielleicht brachte der Wind das Geräusch aus einer anderen Richtung? Langsam drehte ich mich um meine eigene Achse. Ich sah die grüngrauen Felder, die vereinzelten winzigen Häuschen, die sich in der Ferne unter den schweren, tief hängenden Wolken duckten, die schwarzgraue, aufgewühlte See – aber nichts, was den Ursprung des Geräuschs erklärte. Gerade als ich weitergehen wollte, erschien hinter mir, wie ich aus dem Augenwinkel sah, ein Pferd auf dem Hügel, den ich soeben heruntergekommen war. Es blieb auf der Hügelkuppe stehen, das Klappern war verklungen. Fasziniert starrte ich die dunkle Silhouette des eleganten Tieres an, die sich von dem
graublauen Himmel abhob. Regungslos stand das Pferd da, während über seinem Haupt die Wolken vorübertrieben. Nur seine lange Mähne und der Schweif flatterten im Wind. Ich weiß nicht, wie lange es so dastand und mich anstarrte, aber ich war wie verzaubert. Die Magie war vorüber, als es plötzlich den braunen Kopf mit der weißen Blesse herumwarf, laut wieherte und losgaloppierte. Ich dachte noch, es hätte seinen Reiter abgeworfen, aber dann sah ich, dass Zaumzeug und Sattel fehlten. Das Pferd rannte jetzt direkt auf mich zu, meine Hände krampften sich um den Koffergriff. Dann hörte ich Motorengeräusche. Ein dunkelgrüner Defender mit einem Pferdeanhänger kam über den Hügel und raste mit hoher Geschwindigkeit den Hang hinunter.
    Ich konnte gerade noch zur Seite springen, um nicht von dem panischen Tier umgerannt zu werden. Dabei
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